Rede von DFV-Präsident Hans-Peter Kröger
zur Abschlusskonferenz des EU-Projektes ADDRESS
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich möchte den Gedanken von Herrn Steig aufgreifen, dass Deutschland über ein in Europa nahezu einzigartiges, flächendeckendes System der Feuerwehren verfügt. Das ist unsere große Stärke bei Katastrophen und großflächigen Einsatzlagen im Inland.
Das ist aber auch ein wichtiger Baustein unserer Zivilgesellschaft. 23 Millionen Menschen in Deutschland engagieren sich ehrenamtlich, und die Feuerwehren sind Bestandteil dieser lebendigen Ehrenamtskultur der Bürgerinnen und Bürger. Deshalb begrüßen wir auch, dass die Bundesregierung dieses Engagement besonders fördert.
Das deutsche Feuerwehrsystem, dessen Wurzeln mehr als 150 Jahre zurück reichen, ist so etwas wie ein Exportschlager des Made in Germany geworden - das ist zumindest meine Wahrnehmung.
In Chile haben deutsche Emigranten Freiwillige Feuer¬wehren gegründet, die sogar in einem eigenen Verband zusammengeschlossen sind. Sie tragen unsere Einsatzschutzkleidung tragen und sie nutzen bei Ausrüstung und Ausbildung die Verbindungen in die alte Heimat, um das Sicherheitssystem in Chile zu verbessern.
Im Nahen Osten sind deutsche Feuerwehrleute mit Zeitverträgen beschäftigt, um Gefahrenabwehrsysteme mit aufzubauen, um deutsches Feuerwehr-Know-how zu übertragen und um im Einsatzdienst mitzuarbeiten.
In Griechenland tun deutsche Feuerwehrleute alljährlich in den Sommermonaten Dienst in Feuerwehrcamps zur Waldbrandbekämpfung, gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen europäischen Ländern. Sie haben auch bei der historischen Waldbrandkatastrophe auf dem Pelepones in diesem Sommer ihren Mann und ihre Frau gestanden. Darauf sind wir stolz, und es freut mich, dass wir in der übernächsten Woche den Präsidenten des griechischen Feuerwehrverbandes Esepa hier bei uns in Berlin begrüßen können, um Erfahrungen aus dieser Katastrophe auszutauschen und Wege für eine noch engere Zusammenarbeit zu finden.
Sie sehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, Internationalität ist bei deutschen Feuerwehren ein großes Thema, und es gibt viele Feuerwehrangehörige mit einer großen Offenheit, mit großem Interesse für andere Kulturen. Wenn wir die Mitgliederstruktur unserer mehr als 20.000 Berufs-, Werk- und Freiwilligen Feuer¬wehren in Deutschland ansehen, dann mutet das paradox an - und damit möchte ich den Bogen zum Leonardo-Projekt ADDRESS schlagen, in dem Sie sich in den vergangenen zwei Jahren engagiert haben.
Das klassische Bild eines Feuerwehrangehörigen in Deutschland ist ein Mann mit weißer Hautfarbe. Wir haben anteilsmäßig noch zu wenige Frauen in unseren Reihen, und wir haben kaum Migrantinnen und Migranten in den Reihen der Feuerwehren. Dort, wo sie sich in unseren Reihen engagieren, sind es meist Migrantenkinder der zweiten und dritten Generation, die hier geboren und aufgewachsen sind, die integriert sind und meist schon in unseren Jugendfeuerwehren mit dem Dienst in der Feuerwehr in Berührung gekommen sind.
Wir aber wollen mehr. Wir wollen Menschen aus anderen Kulturen, die immerhin neu Prozent unserer Bevölkerung ausmachen, eine Tür zur Integration öffnen. Wir wollen verlässliche Kontakte zu allen Menschen anderer Nationen aufbauen, die hier leben, um Brände zu verhüten und um im Notfall effizient helfen zu können. Natürlich wollen wir auch - und das ist angesichts der demografischen Entwicklung und anderer Faktoren ein ganz zentrales Ziel - die Leistungsfähigkeit unseres besonderen Feuerwehrsystems erhalten.
Wir wollen ein anderes, farbigeres Bild des Feuerwehrmitglieds in Deutschland zeichnen. Wir wollen mehr Migranten in unseren Reihen, mehr Frauen, mehr Akademiker und mehr Menschen aus weiteren Bevölkerungsgruppen, die bei uns unterrepräsentiert sind. Wir wollen ein modernes Bild der Feuerwehren, und wir wollen unsere Feuerwehrmänner und -frauen sensibilisieren, dass es sich lohnt, für diese Vielfalt zu arbeiten und neue Wege zu gehen.
Was wäre die Feuerwehr ohne die vielfältigen beruflichen Qualifikationen und Erfahrungen, die die Menschen bei uns mitbringen? Diese Vielfalt zum Beispiel auch kulturell auszubauen, kann die Arbeit im Team nur noch weiter verbessern - mit diesem Gedanken wollen wir unsere Feuerwehren durchdringen.
Ich bin Ihnen, meine Damen und Herren, sehr dankbar für die Arbeit, die Sie geleistet haben und für die Impulse, die Sie uns mit den Projektergebnissen geben. Ich bin dankbar dafür, dass der Deutsche Feuerwehrverband sich an dem ersten Projekt zu diesem Thema unter Mitfinanzierung der Europäischen Union beteiligen durfte. ADDRESS hat uns auch neue, wertvolle Kontakte erschlossen und unser Netzwerk in viele Nachbarländer der EU erweitert.
In der Arbeit unseres Verbandes nehmen die europäische und die internationale Zusammenarbeit immer mehr Raum ein. Unser Vizepräsident Ralf Ackermann ist gerade erst in der vergangenen Woche zum Vizepräsident des internationalen Feuerwehrverbandes wiedergewählt worden, und auch das ist ein Zeichen dafür, welchen Stellenwert wir dieser Arbeit geben und wie unsere Mitarbeit angenommen wird.
Mit diesem Leonardo-Projekt ist das Thema Integration für den Deutschen Feuerwehrverband keinesfalls erledigt. Es ist vielmehr erst einer der ersten Anstöße. Wir betreiben parallel mit dem Familienministerium ein bundesweites Projekt, um den Anteil der Mädchen und Frauen in unserer Organisation dauerhaft zu erhöhen. Und wir werden im kommenden Jahr einen Zukunftskongress durchführen, bei dem die Themen Mitgliedergewinnung und Integration eine zentrale Rolle spielen werden. Unsere Jugendorganisation, die Deutsche Jugendfeuerwehr, führt derzeit Gender-Seminare durch, und Ende Oktober wird der Auftakt für eine große Integrationskampagne sein mit dem Titel „Unsere Welt ist bunt“. Mehr dazu werden Sie gleich erfahren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich danke Ihnen allen, insbesondere meinem Vizepräsidenten Herrn Behrendt und unserer Mitarbeiterin Frau Andree noch einmal sehr für die engagierte Mitarbeit in diesem Projekt.
Wir werden auf den Ergebnissen aufbauen, um auch künftig moderne, zukunftsfähige Feuerwehren zu haben, als positives Abbild unserer Gesellschaft, als attraktiven Akteur in der Bürgergesellschaft und als attraktiven Arbeitgeber.
Es ist spannend zu sehen, wie schnell wir auch in Deutschland Brücken schlagen, wie rasch wir Türen öffnen können, wenn wir die richtige Gelegenheit finden. Ein ungewöhnliches Beispiel dafür ist eine Fotoproduktion unseres Verbandes für einen Messeauftritt. Dabei haben wir noch auf ein „Fotomodell“ mit Migrationshintergrund zurückgegriffen. Der Mann war schnell Feuer und Flamme für die Tätigkeit in der Freiwilligen Feuerwehr, wurde aktives Mitglied und hat heute eine ganz wichtige Funktion bei Einsätzen in einem Viertel mit hohem Migrationsanteil. So eine Entwicklung hätten beide Seiten sicher nicht erwartet. Sie macht mut auf mehr!
Ich möchte den Gedanken hier heute weiterspinnen - vielleicht nicht ganz korrekt im Sinne Ihres Projektes, aber als Anstoß für Integration auf breiter Basis: Eine Freiwillige Feuerwehr mit überwiegend türkisch-stämmigen Feuerwehrleuten hier in Berlin, in Kreuzberg - das wäre ein Zeichen, dass Migrantinnen und Migranten in unserer Gesellschaft angekommen sind und dass unsere Feuerwehren hier in Deutschland genauso offen, so neugierig und so international sind, wie sie dies im Ausland immer wieder unter Beweis stellen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!