Andrea Andris aus Nordheim ist ratlos. Endlich kommen in ihre Jugendrotkreuzgruppe auch ein paar türkische Kinder. Doch bei einem zehnjährigen Jungen weiß sie nicht weiter: „Er langt an kein Mädel dran.“ Doch das Üben von Verbänden oder von stabiler Seitenlage gehört bei den Jugendrotkreuzlern dazu, ob Männlein oder Weiblein ist normalerweise kein Thema. Was soll die Gruppenleiterin also machen, zumal es dem türkischen Buben „gut bei uns gefällt“?
Bei diesem Beispiel wird schnell klar: Die interkulturelle Öffnung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) stößt noch an Grenzen. Doch die Organisation will sich dem Thema stellen - und muss es, um Nachwuchs für das Jugendrotkreuz zu gewinnen. Andrea Andris erzählt ihr Erlebnis bei einem Gruppenleitertreff, an dem Nuri Musluoglu sich vorstellt. Der türkischstämmige Sozialarbeiter ist seit Oktober beim DRK-Kreisverband und soll auch die Ehrenamtlichen fitter machen für die Anforderungen der Zukunft.
Die 20 jungen Männer und Frauen erfahren manches Neue über die einstigen Gastarbeiter. „Wenn es so viele Zuwanderer gibt, dann müssen wir uns darauf einstellen und Ahnung haben, wie wir mit ihnen umgehen“, sagt der 18-jährige Benjamin Weis aus Willsbach. Seine Mitstreiterin Tanja Dietrich wird deutlich: „Wir müssen Werbung machen bei der Zielgruppe. Bisher habe ich noch keine ausländischen Kinder.“
Doch alleine auf die deutschstämmige Jugend zu setzen, hieße für Heilbronn: über 60 Prozent der unter 18-Jährigen überhaupt nicht anzusprechen. So hoch ist der Anteil derjenigen, die in dieser Altersklasse aus Zuwandererfamilien kommen. Von den 21 000 Heilbronner Jugendlichen sind alleine über 4000 türkischer Abstammung.
Wie schwierig es ist, die Grenzen zwischen den Kulturen zu überwinden, davon berichtet auch Nicole Gleichauf aus Berwangen. Sie hatte schon türkische Mädchen in ihrer Gruppe, aber ab ab einem gewissen Alter breche das ab: „Sie dürfen dann nicht mehr kommen.“ Buben hat sie erst gar keine gehabt.
Annäherung Lösungen für die konkreten Probleme der Gruppenleiter kann die interkulturelle Nachhilfe nicht geben. „Wir stehen erst ganz am Anfang mit unserer Arbeit“, weiß die DRK-Aktive Brigitte Haaf. Doch der Anfang für die Annäherung sei gemacht. Dafür steht das erste DRK-Engagement beim internationalen Kinderfest im Frankenstadion Ende April. Oder: Immer mehr Migranten-Kinder wollen mit ins DRK-Zeltlager, weil türkische Familien den Sommer nicht mehr automatisch in der alten Heimat verbringen.