Kreisfeuerwehrverband Heilbronn

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Feueralarm mit ungeahnten Folgen

Einsatz der Feuerwehren Schwaigern und HeilbronnGebäudebrand am von Schwaigern und Heilbronn

Am 18.05.2003 wurde die Abteilung Stadt der Freiwilligen Feuerwehr Schwaigern durch die Leitstelle bei der Berufsfeuerwehr Heilbronn um 16.33 Uhr zu einem Gebäudebrand bei der Fa. Heiche im Schwaigerner Industriegebiet alarmiert.

Um 16.38 rückte das TLF 16 als erstes Fahrzeug zur Einsatzstelle aus. Um 16.41 und 16.42 Uhr folgten LF 8 und SW 1000 mit Abteilungskommandant Volker Lang als Einsatzleiter. Kurz zuvor war das TLF 16 bereits an der Einsatzstelle eingetroffen. Der Gruppenführer meldete dabei sehr starke Rauchentwicklung und ließ die Abteilung Stetten a.H. mit einem LF 8/6 nachalarmieren. Als der Berichterstatter um 16.44 an der Einsatzstelle eintraf, hatte ein Trupp des TLF 16 das Feuer an der Ausbruchstelle mit einem C-Rohr bereits so gut wie gelöscht. Da aber immer noch extrem dichter Rauch aus der betroffenen ca. 200 qm großen Halle und einer direkt angebauten, wesentlich größeren, Halle drang, wurde auch noch die Abteilung Massenbach, ebenfalls mit LF 8/6 nachalarmiert, Es war davon auszugehen, dass beide Hallen von mehreren Trupps unter PA kontrolliert werden müssen. Von der Leitstelle wurde in diesem Zeitraum der Kreisbrandmeister, die Polizei und der Rettungsdienst verständigt. Ein Trupp des LF ging mit einem weiteren C-Rohr in die Halle vor, während andere Kräfte den Drucklüfter in Stellung brachten und auch eine Beleuchtung aufbauten, da in der Halle vom Betriebsinhaber der Strom vorsorglich komplett abgeschaltet worden war. Nach wenigen Minuten war dann klar, dass das Feuer gelöscht. Ebenso meldeten die Kontrolltrupps nur eine starke Verqualmung der Nachbarhalle. Das Feuer hatte nicht übergegriffen.

Jetzt fiel auf, dass das aus der Halle laufende Löschwasser eine grünlich-gelbe Färbung hatte. Auf Rückfrage beim Inhaber ergab sich, dass es sich um einen Chromhaltigen Stoff handeln würde. Daher wurde um 16.50 der Gefahrgutzug der BF Heilbronn angefordert. Das Löschwasser-Chemikalien-Gemisch lief in einen Schacht außerhalb der betroffenen Halle. Im Gegensatz zu den meisten anderen Schächten auf dem Betriebsgelände war dieser aber nicht an das firmeninterne Rückhaltesystem sondern direkt an den Sammler der Kläranlage angeschlossen. Deshalb wurde sofort damit begonnen, den Schacht abzudichten um ein weiteres Einlaufen zu verhindern. Zunächst wurde Sägemehl zur Bindung aufgebracht. Zusätzlich stellte der Inhaber einen Behälter mit Chemikalienbinder bereit, um das auslaufende Gemisch zu neutralisieren. Beim Auftragen dieses Chemikalienbinders kam es sofort zu einer heftigen Reaktion. Die betroffenen Feuerwehrleute stoppten daraufhin sofort die Arbeit

Zeitgleich wurde über den Inhaber versucht, an ein Sicherheitsdatenblatt des auslaufenden Stoffes zu kommen. Da sich die Unterlagen in einem Raum befanden, der wegen des Brandrauches noch nicht begehbar war, wurde ein Trupp unter Atemschutz beauftragt, die Ordner zu holen. Er wurde zuvor vom Inhaber über den genauen Standort der Unterlagen informiert. Als dies geschehen war, wurde uns das entsprechende Datenblatt übergeben. Es handelte sich um das Produkt „Alodine 1200“ der Fa. Henkel. Es dient der Gelbchromatierung von Aluminium und enthält anorganische Salze. Der Stoff besteht aus folgenden Bestandteilen:
10-20% K-fluorzirkonat - toxisch
20-40% Chromtrioxid - toxisch, brandfördernd
15-25% K-hexacyanoferrat - ätzend
Der Stoff wird für die Produktion auf eine Konzentration von 15 - 18% verdünnt. Die Konzentration des ausgelaufenen Gemisches, das zudem noch mit Löschwasser weiter verdünnt war, war zu diesem Zeitpunkt unklar.

Als weitere Maßnahmen wurden jetzt die untere Wasserbehörde sowie die Kläranlage in Heilbronn verständigt, ebenso der Fachberater Chemie des Landkreises Heilbronn, Dr. Stefan Sendelbach von der Feuerwehr Neckarsulm angefordert.

Bei drei Feuerwehrleuten, die den Chemikalienbinder aufgebracht hatten, trat Unwohlsein auf. Sie wurden dem anwesenden Rettungsdienst übergeben. Durch diese Situation wurde jetzt geprüft, um welchen Stoff es sich bei dem Chemikalienbinder handelt Es stellte sich heraus, dass es sich um Natriumdithionit, ein anorganisches Salz handelte, das u.a. als Reduktionsmittel eingesetzt wird. Gegen Alodine 1200 in reiner Form hätte es wirklich als Reduktionsmittel gewirkt und dieses neutralisiert. Der Betriebsinhaber bedachte jedoch in dieser hektischen Phase nicht, dass es sich um eine mit Wasser verdünnte Lösung handelte und das Natriumdithionit mit Wasser in einer heftigen Reaktion unter Freisetzung von Schwefeldioxid reagiert. Die drei betroffenen Feuerwehrleute standen somit plötzlich mitten in einer Wolke von konzentriertem Schwefeldioxid. Nun meldeten sich auch noch mehrer Feuerwehrleute mit leichten Verätzungen, vor allem mit den Händen. Sie waren mit Löschwasser in Kontakt gekommen und daher wurden ebenfalls dem Personal des anwesenden Rettungswagens übergeben. Dieser forderten auch Grund der nunmehr 8 Verletzten Verstärkung an. Die Rettungsleistelle schickte drei weitere RTWs sowie den Org. Leiter Rettungsdienst und den Leitenden Notarzt.

Um einen gegenseitigen Kenntnisaustausch aller anwesenden Dienste und Behörden zu ermöglichen, sowie dem Rettungsdienst möglichst exakte Zahlen über die Konzentration der ausgetretenen bzw. verwenden Chemikalien zu geben, wurde auf 18:15 Uhr eine Lagebesprechung angesetzt. Im Beisein von Dr. Sendelbach und dem Betriebsinhaber wurden die beiden zur Brandbekämpfung eingesetzten Trupps befragt, welche Galavnisierbecken beschädigt sind. Auf Grund deren Lagebeschreibung äußerte der Betriebsinhaber die Vermutung, dass es sich vielleicht „nur“ um ein Spülbecken handeln dürfte, in dem die Aluminiumteile nach dem Galvanisieren in mehren Stufen wieder mit Wasser gereinigt werden. Da dies, zum einen in Bezug auf die Umweltgefährdung, aber auch auf die Verletzungen der Feuerwehrleute eine wichtige Erkenntnis war, sollte diese Vermutung abgesichert werden. Zusammen mit dem Betriebsinhaber und Dr. Sendelbach wurde die vom Brand betroffen begangen. Dabei konnte die Vermutung bestätigt werden. Ein Becken Spülwasser mit einem Inhalt von ca. 800 Liter war durch die direkte Brandeinwirkung beschädigt. Etwa 600 Liter waren ausgelaufen. Da der Löschangriff komplett über den Tank des TLF 16 erfolgte, war auch der Löschwasserverbrauch exakt zu ermitteln: genau 1000 Liter. Der Großteil dieses Gemisches aus Löschwasser und chemikalienversetztem Spülwasser war in das betriebsinterne Rückhaltesystem gelaufen. Erst als die Schächte verstopft waren, liefen noch ca. 500 Liter ins Freie. Mit diesen Erkenntnissen wurde die Lagebesprechung durchgeführt, an der folgende Personen teilnahmen:

Zunächst wurde vom Einsatzleiter ein Überblick über den Ablauf des Einsatzes gebeben.
Danach machte Dr. Sendelbach seine Ausführungen zum dem ausgelaufenen Stoff und dem eingesetzten Reduktionsmittel. Er ging davon aus, dass das Löschwasser unter 1% des Alodine 1200 enthielt. Die Verletzungen der Feuerwehrleute dürfte sich daher auf eine mehr oder weniger starke Rötung der kontaminierten Hautstellen begrenzen. Bei den drei, durch die Inhalation von Schwefeldioxid verletzten Feuerwehrleuten hat es sich um ein kurzzeitiges (wenige Sekunden) Einatmen von Schwefeldioxid gehandelt. Da sich diese Situation zudem im Freien, bei einem kräftigen Wind, abspielte, wurde auch dies als nicht mehr so kritisch betrachtet. Trotzdem veranlasste der Lt. Notarzt die Einweisung aller Verletzten in die Intensivabteilungen der Krankenhäuser Heilbronn und Brackenheim um Sie, rein prophylaktisch, für wenigsten 12 Stunden unter ärztlicher Überwachung zu haben. Mitarbeiter der Kläranlage Heilbronn hatten zwischenzeitlich mehrere Vorfluter unterhalb der Eintrittstelle kontrolliert. Da sie sich bei der Einsatzleitung nicht mehr meldeten, gingen man davon aus, dass keine kritischen Werte festgestellt wurden.

Die fachgerechte Entsorgung der Restmenge in dem beschädigten Behälter, sowie die in der Halle noch vorhanden Lachen des Löschwassers wurde von Firmenangehörigen unter Beachtung der entsprechenden Sicherheitsvorschriften selbst durchgeführt

Durch die enorme Hitze in der Halle hatte auch die Stahlkonstruktion erheblich gelitten. An mehreren Stellen wurden Verformungen der Träger festgestellt.

Für die Feuerwehr war der Einsatz um 20.30 Uhr beendet.

Im Einsatz waren auch:

Berufsfeuerwehr Heilbronn
KdoW
ELW 1
HLF
GW-G
GW-AS
GW-Meß
GW-T
LKW

Freiwillige Feuerwehr Neckarsulm
KdoW

Rettungsdienst
4 RTW
1 NAW
1 KdoW

Polizei
2 Streifenwagen

weitere anwesende Behörden:
untere Wasserbehörde
Gewerbeaufsichtsamt
Kläranlage Heilbronn

(Fotos: Feuerwehr Schwaigern)