Nach Hochwasser und Starkregen erklärt Kommandant Fabian Müller, was sich bei der Heilbronner Feuerwehr ändert
Redakteur Alexander Klug
Immer wieder in den vergangenen Wochen prasselte Regen in großer Menge auf die Region herab, oft ergänzt durch starken Wind, Blitz und Donner. Mal setzte Regen Keller und Tiefgaragen in Biberach unter Wasser, dann hieß es in Neckarsulm samt Audiwerk Land unter – zuletzt verlor eine Wüstenroterin durch Blitzeinschlag und Feuer ihr Zuhause. Der Kommandant der Heilbronner Berufsfeuerwehr, Fabian Müller, spricht über die Herausforderungen, die solche Phänomene für die Feuerwehr bedeuten.
Mit wie viel Sorge schauen Sie zurzeit Richtung Himmel, Herr Müller?
Fabian Müller: Im Moment tröpfelt es zum Glück nur. Das war in letzter Zeit schon anders.
Kommen Hochwasser-Ereignisse nach Ihrer Wahrnehmung öfter vor als früher?
Müller: Um das definitiv sagen zu können, reicht die Betrachtung eines so kurzen Zeitraums nicht. Aber gefühlt sind extreme Wetterphänomene häufiger geworden und haben in der Intensität zugenommen.
Welche Phänomene haben Sie dabei im Blick?
Müller: Stürme und Unwetter hat es immer zu allen Jahreszeiten gegeben. Denken Sie nur an Orkan Lothar 1999 am zweiten Weihnachtsfeiertag. Was uns zu schaffen macht, sind Hitzegewitter. Vor allem, wenn sie sich nur langsam vorwärtsbewegen. Dann kommt es zu Ereignissen wie dem in Neckarsulm, dort stand das Gewitter lange Zeit über der Stadt, es regnete bis zu 90 Liter pro Quadratmeter. Ein wenig vorhersehbarer ist es, wenn ein Gewitterband über die Region zieht. Ein Feuer dagegen ist etwas ganz anderes.
Etwas anderes? Was meinen Sie?
Müller: Bei einem Unwetter haben Sie einen, wenn auch oft kurzen, Vorlauf zur Vorbereitung. Ein Feuer ist völlig unvorhersehbar. Dafür können Sie alle Kräfte, die notwendig sind, an einem Ort konzentrieren. Bei Hochwasser, sei es wegen Starkregen oder Wasser aus Gewässern, sind die Einsatzorte oft sehr zahlreich, liegen weit verstreut und sind sehr verschieden.
Nennen Sie doch ein paar Beispiele.
Müller: Zum Beispiel beim jüngsten Hochwasser in Neckarsulm. Es stehen Keller unter Wasser, es passieren Verkehrsunfälle, Autos bleiben in Unterführungen liegen. Oder in Wüstenrot vor ein paar Tagen. Im einen Moment werden Bäume zersägt, im nächsten steht ein Haus nach einem Blitzeinschlag in Flammen, dann passiert ein Autounfall.
Wie reagiert die Feuerwehr auf die Herausforderung durch Unwetter?
Müller: Derzeit erarbeiten wir ein Unwetterkonzept, es befindet sich auf der Zielgerade.
Was sind die wichtigsten Punkte?
Müller: Wenn die Berufsfeuerwehr und alle neun Abteilungen der Freiwilligen Feuerwehr Heilbronn alarmiert werden, sprechen wir von 400 Feuerwehrangehörigen. Wir wollen die Koordination verbessern. Unter Führung des Gesamteinsatzleiters sollen sich Abschnittsleiter eigenverantwortlicher als bisher um einzelne Bereiche kümmern. Außerdem wollen wir Unwettererkunder einsetzen.
Was sind Unwettererkunder?
Müller: Bevor stärkere Kräfte ausrücken, fährt eine Führungskraft zu gemeldeten Einsatzorten und überprüft, worum es sich handelt. Welche Maßnahmen tatsächlich notwendig und sinnvoll sind. Bei manchmal Hunderten von Meldungen kommt es nicht selten vor, dass sich die Situation schon von alleine erledigt hat, bis wir vor Ort sind. Der Erkunder kann qualifiziert abschätzen, wie viele Pumpen notwendig sind, oder die Betroffenen instruieren, wie sie sich unter Umständen selbst helfen können. Jemand, der sich auskennt, kann auch Gefahren besser einschätzen.
Was ist am gefährlichsten?
Müller: Wenn Wasser und Elektrizität zusammentreffen, wird es gefährlich. Oder, wenn der Öltank im Keller droht, aufzuschwimmen und undicht wird. Öl ist leichter als Wasser und breitet sich schnell aus. Es drohen schwere Verschmutzungen. Deswegen ist der Einsatz der Erkunder sinnvoll, er hat bei Tests auch gut funktioniert. Vielleicht können wir auf diesem Weg auch die Zeit der vielen Ehrenamtlichen schonen.
Wo besteht da Handlungsbedarf?
Müller: Gerade bei Hochwasser oder Starkregen sind die Abteilungen der Freiwilligen Feuerwehr unverzichtbar. Mit der Berufsfeuerwehr alleine könnten wir nur ein paar wenige Einsätze bearbeiten, aber nicht Hunderte. Wenn durch bessere Vorbereitung und Organisation die Freiwilligen nicht unnötig alarmiert werden und ihre Arbeitsplätze und ihre Familien zurücklassen müssten, wäre das allemal ein Gewinn.