Nach dem Großbrand in der Schwaigerner Recyclingfirma Kurz geht die Diskussion über eine mögliche Dioxinbelastung des Umlands durch die Rauchwolke weiter. Gottfried May-Stürmer, Geschäftsführer vom BUND Heilbronn-Franken, hält Bodenproben für angebracht. Natürlich seien solche Analysen teuer, sagt er auf Nachfrage der Heilbronner Stimme. „Aber einfach zu sagen ‚Da kann nichts passiert sein', das ist zu riskant." Er habe sich gewundert, dass nach dem Großbrand in dem Recyclingbetrieb so schnell Entwarnung gegeben worden sei. „Wenn ich da einen Acker oder einen Garten hätte, dann würde ich eine Untersuchung verlangen", so Gottfried May-Stürmer. Man habe ja gesehen, über welches Gebiet die Rauchwolke gezogen sei. „Hier zu beschwichtigen, halte ich nicht für angemessen." Weil es noch immer offene Fragen in Schwaigern und Umgebung gibt, haben wir über mögliche Gefährdungen bei der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg nachgefragt. Ein Interview mit Dr. Thomas Nöltner vom Referat Boden:Obwohl beim Brand in der Recyclingfabrik PVC verbrannt ist und Dioxine freigesetzt wurden, sehen die zuständigen Behörden keine Veranlassung für Bodenproben. Die Experten der Feuerwehr sagen, die Bedingungen für das Entstehen von Dioxinen in großen Mengen waren bei dem Brand nicht gegeben. Was sagen Sie dazu?Thomas Nöltner: Zunächst einmal ist der Nachweis von Dioxinen im Boden sehr schwierig. Sie sind auch nicht wie Schwermetalle einfach zu bestimmen. Nach aller Erfahrung müssen über längere Zeit Einträge stattfinden, damit Dioxine nachweisbar sind. Entlang von stark befahrenen Verkehrswegen etwa finden sich Dioxine in geringeren Mengen. Der Aufschlagspunkt dieser Rauchwolke ist weit verteilt. Ich würde es eher als unwahrscheinlich einstufen, da fündig zu werden. Wenn Dioxine - in welchen Mengen auch immer - über die Rauchwolke übers Land verteilt wurden, was passiert dann jetzt mit diesen Schadstoffen? Können sie beispielsweise über die Wurzeln in die Trauben von Weinreben gelangen? Nöltner: Dioxine sind schwer abbaubar. Dioxine sind vornehmlich fettlöslich. Wasserlöslichkeit ist praktisch nicht vorhanden. Bei starkem Regen werden sie abgeschwemmt. Die Wurzelaufnahme von Dioxinen in Pflanzenteile hinein kennt man ganz selten. Seit Seveso schwingt viel Angst mit, wenn der Begriff Dioxin fällt. Auch aus Indien sind schlimmste Folgen für Menschen bekannt. Heißt das, Dioxine sind ganz besonders schwere Gifte? Nöltner: Das heißt es nicht. Dioxine sind Stoffe, von denen wir wissen, dass sie ubiquitär, das heißt überall in den Oberböden des Landes vorkommen. In tieferen Bodenschichten sind sie nicht nachweisbar. Dieser Umstand weist daraufhin, dass sie über die Luft dorthin gekommen sind. In ganz geringen Spuren findet man Dioxine auch im ländlichen Raum. Wir betreiben seit 1986 ein Bodenmonitoring. Auch in Zehnjahreswiederholungen haben wir keine Zunahme an Dioxinen festgestellt. Die Bundesbodenschutzverordnung unterscheidet je nach Nutzung verschieden hohe Grenzwerte etwa für Kinderspielplätze, Ackerflächen, Wohngebiete und Industriegebiete. Müssen wir einfach lernen, mit Dioxinen zu leben? Nöltner: Der Umgang mit Dioxinen ist heute schon etwas entspannter, weil man aus unseren Beobachtungsprogrammen her weiß, dass sie in geringen Spuren in den Böden vorhanden sind. Wenn der Verdacht einer verstärkten Freisetzung besteht, scheint Dioxin aber immer noch eine psychologische Reizwirkung zu entfalten. Die großen Unfälle in Indien und Seveso, wo in langer Zeit sehr große Mengen freigesetzt worden sind, sind nicht vergessen. Der Stoff ist wahrscheinlich auch nicht schlimmer als andere Umweltschadstoffe. Aber natürlich ist es ein Umweltschadstoff, der sehr ernst zu nehmen ist.
Bild: Feuerwehr Schwaigern