Freitagabend, 20.30 Uhr im Bereich des Jagstfelder Bahnhofes in Bad Friedrichshall. Geschäftiges Treiben vor dem Bahnhofsgebäude und viel Betrieb auf der angrenzenden Straße. Innerhalb von Sekunden ändert sich jedoch das Bild: Ein dumpfer Knall, kurz darauf noch einer, das Splittern von Glas und Geräusche von schlitterndem Metall auf dem Asphalt ist deutlich hörbar. Was ist passiert?
Vor dem Bahnhof Bad Friedrichshall-Jagstfeld ereignet sich auf der Jagstfelder Straße ein schwerer Verkehrsunfall zwischen einem mit einer Schulklasse besetzten Reisebus, zwei Pkws sowie einem Mofafahrer.
Dieses - zum Glück nur angenommene - Szenario bildete die Ausgangslage für eine gemeinsame Übung der freiwilligen Feuerwehren aus Bad Friedrichshall, Gundelsheim, Oedheim und Offenau sowie dem Deutschen Roten Kreuz und er Polizei.
Gemäß der Alarm- und Ausrückeordnung wird die Feuerwehr Bad Friedrichshall mit dem Alarmstichwort „Verkehrsunfall mit eingeklemmten Personen" durch die Feuerwehrleitstelle Heilbronn alarmiert.
Da sich dem zuerst an der Einsatzstelle eintreffenden Zugführer die Lage wie folgt darstellt: ca. 30 teils verletzte Schüler sowie ein schwer verletzter Fahrer befinden sich im Reisebus, wobei beide Zugangstüren verschlossen und stark beschädigt sind. In den beiden am Unfallgeschehen beteiligten Pkws sind jeweils zwei Personen eingeklemmt und schwer verletzt. Zuallerletzt kommt es wegen eines Defekts an der Kraftstoffleitung zum Brand des Mofas, welcher auf den bewusstlosen, im Straßengraben liegenden, Mofafahrer übergreift.
Aufgrund der vorgefundenen Lage veranlasst der Zugführer unmittelbar die Erhöhung der Alarmstufe über die Feuerwehrleitstelle und löst - aufgrund der hohen Personen- bzw. Opferzahl - die Alarmschwelle für einen so genannten „MANV" (Massenanfall von Verletzten) aus.
Daraufhin werden die freiwilligen Feuerwehren aus Gundelsheim, Oedheim und Offenau zur Unterstützung nachalarmiert. Parallel dazu veranlasst die Rettungsleitstelle Heilbronn die Alarmierung sämtlicher SEG- und Einsatzeinheiten des DRK im Umkreis. Außerdem wird aufgrund der vermutlich großen Anzahl an Verletzten und des Bedarfs an psychologischer Betreuung - ggf. auch von Angehörigen - das Notfallseelsorgeteam des Landkreises Heilbronn alarmiert.
Die nach und nach zügig eintreffenden Einsatzkräfte verteilen sich zunächst auf insgesamt drei Einsatzabschnitte. Zum einen konzentrieren sich die Kräfte aus Bad Friedrichshall auf den Einsatzabschnitt „Bus", um dort die Rettungsmaßnahmen einzuleiten und durchzuführen, während sich die Einheiten aus Gundelsheim, Oedheim und Offenau um den Einsatzabschnitt „Pkws" kümmern, damit dort die insgesamt vier eingeklemmten und schwer verletzten Insassen gerettet und versorgt werden können. Zum anderen muss - um an der Schadensstelle aufgrund der inzwischen eingetretenen Dunkelheit sicher arbeiten zu können - der gesamte Bereich bestmöglich ausgeleuchtet werden. Hierzu wird im Einsatzabschnitt „Beleuchtung" unter anderem die Drehleiter aus Bad Friedrichshall eingesetzt.
Lautes Schreien und Klopfen an den Scheiben ist aus dem Reisebus zu vernehmen, denn die im Bus befindlichen Schüler stehen teilweise unter Schock und wollen das Unfallgefährt so schnell als möglich verlassen. Zunächst wird jedoch von einem Trupp der brennende Mofafahrer und sein in Flammen aufgegangenes Zweirad gelöscht sowie eine Erstversorgung des Verletzten durchgeführt. Zeitgleich wird unter Verwendung von hydraulischem Rettungsgerät versucht, die verkeilten Bustüren zu öffnen, um die verletzten sowie die noch gehfähigen Insassen ins Freie zu bringen und einer notfallmedizinischen Erstversorgung zuzuführen. Kurz darauf sind die Türen offen und plötzlich strömen die unverletzt gebliebenen Schüler auf die Straße und wollen - noch unter dem Eindruck des gerade Erlebten stehend - nur noch eines: weg!
Unter massivem Kräfteaufwand haben hier Feuerwehr und Rettungsdienst alle Hände voll zu tun, um die Schüler beisammen zu halten, damit sie anschließend zur eingerichteten Verletztensammelstelle und anschließend zur Registrierung gebracht werden können.
Die Feuerwehrkräfte an den beiden Unfallfahrzeugen versuchen derweil - in Absprache mit dem Rettungsdienst - eine möglichst Patienten schonende Rettung der verunfallten Insassen durchzuführen. Nachdem die notfallmedizinische Erstversorgung erfolgt und ihr Zustand stabilisiert worden ist, kann nun die Feuerwehr mit hydraulischem Rettungsgerät - sprich Schere und Spreizer - die Befreiung der Personen aus ihrer misslichen Lage durchführen.
Während sich dies an dem total verbogenen, schwarzen Blechknäuel vor dem Omnibus relativ einfach bewerkstelligen lässt, müssen die Einsatzkräfte an dem zweiten, blauen Pkw schon ihr ganzes Repertoire an Tricks und Kniffen anwenden, um die eingeklemmten Menschen zu befreien. Unter anderem müssen auch so genannte Hydraulikzylinder zum auseinanderdrücken des deformierten Wracks eingesetzt werden, um die Verletzten mittels KED-System und Spineboard so schonend als möglich aus den Autos zu retten.
Nach gut zwei Stunden ist die Lage komplett abgearbeitet, alle Verletzten wurden versorgt und alle Unfallbeteiligten registriert.
Über den gesamten Ablauf der Übung hielt die Einsatzleitung am Einsatzleitwagen ELW 1 die Fäden in der Hand. Einsatzleiter Volker Windbiel wurde dabei unter anderem von Gerhard Kupfer wesentlich unterstützt, der die Lagekarte stets auf dem laufenden hielt, sämtliche Veränderungen und Aktualisierungen vermerkte sowie alle Informationen akribisch sammelte, sodass die Einsatzleitung über das Geschehen in den einzelnen Abschnitten stets im Bilde war.
Insgesamt waren - mit den Verletztendarstellern - rund 150 Personen sowie 12 Fahrzeuge der Feuerwehr, 10 Fahrzeuge des DRK und eine Streife der Landespolizei an der Übung beteiligt.
Bei der anschließenden Übungskritik im Feuerwehrhaus zeigte sich Einsatzleiter Volker Windbiel mit dem Verlauf zufrieden. „Die noch durchzuführende Nachbearbeitung wird mit Sicherheit noch Optimierungsmöglichkeiten aufzeigen, die dann in die weitere Einsatzplanung mit einfließen werden", so Windbiel.
Stadtbrandmeister Kurt Semen bewertete den Übungsverlauf ebenfalls positiv. „Wir haben unser Hauptziel - die Erprobung des interdisziplinären Zusammenspiels aller am Einsatz beteiligten Rettungs- und Hilfsorganisationen - erreicht.", bestätigte Kurt Semen. Gleichzeitig erinnerte der Stadtbrandmeister daran, dass das erprobte Szenario „nicht aus dem Ärmel geschüttelt" worden sei, sondern eine ähnliche Lage jederzeit im Einzugsbereich der Freiwilligen Feuerwehr Bad Friedrichshall - z.B. ein Massenunfall auf der B 27 - möglich wäre. Er dankte neben den Feuerwehrangehörigen aus Bad Friedrichshall, Gundelsheim, Oedheim und Offenau auch den teilnehmenden Helfern des Deutschen Roten Kreuzes aus den Ortsvereinen Bad Friedrichshall, Bad Wimpfen, Gundelsheim, Leingarten, Oedheim und Möckmühl sowie dem Personal des hauptamtlichen Rettungsdienstes und der Polizei für ihre Bereitschaft, an einem Freitagabend eine Übung größeren Umfanges aktiv mit zu gestalten.
Bürgermeister Peter Dolderer, der den Übungsverlauf vor Ort ebenfalls aufmerksam begleitete, unterstrich die Aussagen von Kurt Semen und bekräftigte ebenfalls die Notwendigkeit eines reibungslosen Zusammenspiels der Kräfte bei einem derart gelagerten Szenario. Insbesondere wenn aufgrund des Ausmaßes bei einem solchen Schadensfall eine große Anzahl an Hilfskräften zur Lageabarbeitung notwendig sei, so Dolderer weiter. „Es ist gut zu wissen, dass viele ehrenamtliche Kräfte in so großer Zahl zur Verfügung stehen", lobte Bürgermeister Dolderer abschließend.