Leon (6) und sein kleiner Bruder Rene zappeln am Straßenrand. Gleich werden die Feuerwehrautos angerast kommen, das jedenfalls hat ihnen Papa Michael Ganzenmüller versprochen. „Da sind ganz viele aus meinem Kindergarten da“, jubelt Leon.
Eine kleine Karawane aus Kinderwägen, Fahrradtrupps und Inline-Skatern war zuvor in Richtung Industriegebiet West zur Firma Neumeister unterwegs gewesen. Jetzt wollen alle möglichst viel von der Großübung der Neuenstädter Wehr anlässlich des diesjährigen Feuerwehrfestes mitbekommen.
Rauch Zunächst ist da nur dichter Rauch. Er qualmt aus einem Hallentor und wird immer dichter. Die Aprilsonne heizt den Zuschauern ein, die Spannung steigt. Dann endlich, wie ein mehrstimmiger Chor dringen die Hörner der Einsatzfahrzeuge durch die Luft, werden lauter und lauter. Nacheinander treffen die Wagen der Abteilungen Neuenstadt, Cleversulzbach und Stein/Kochertürn ein. Dann aus Neckarsulm die lange Drehleiter. An den Fenstern im obersten Stock des mehrstöckigen Industriegebäudes machen sich ein paar Personen bemerkbar, gestikulieren mit den Händen.
Feuerwehrleute mit Atemschutzgeräten dringen in das Innere des Gebäudes ein. Schläuche werden ausgerollt, die Drehleiter in Stellung gebracht. In hohem Bogen ergießt sich ein Wasserstrahl über das Dach. Die Eingeschlossenen können sich über die Leiter retten. Im Hof versorgt das Rote Kreuz einen Brandverletzten. Nach einer guten halben Stunde ist die Übung vorbei. „Gott sei Dank“, sagt Hartmut Dierolf und rollt Schläuche auf, „auch ohne Feuer wird einem da ganz schön warm, besonders den Kameraden mit den Atemschutzgeräten“.
Leon ist beeindruckt, besonders von der Drehleiter: „Mein Feuerwehrauto hat auch eine, aber die ist nicht so lang.“ Was die Zuschauer nicht sehen - hinter der Übung steckt ein ausgeklügelter Einsatzplan mit einem angenommenen Szenario, das den Ernstfall simuliert. In diesem Fall ist es Brandstiftung. Durch Brandbeschleuniger kommt es zu einer massiven Brandentwicklung auf beiden Seiten des Anbaus.
Sicherheit Personen versuchen sich über das Treppenhaus in Sicherheit zu bringen. Das Treppenhaus ist aber nicht mehr benutzbar und daher trennt sich die Gruppe. Eine Person versucht sich nach unten mit einem Feuerlöscher freizukämpfen, drei weitere probieren es in Richtung Notausstieg an der Nordseite, andere steigen aufs Dach und rufen von dort aus um Hilfe. „Es ist für uns sehr wichtig und versicherungstechnisch geboten, dass die Feuerwehr mit den Gegebenheiten vor Ort vertraut ist“, sagt Karl Reinhard, der geschäftsführende Gesellschafter der Firma Neumeister. Er verfolgt die Übung mit Interesse. Alle zehn Jahre sei eine solche gefordert. In diesem Fall hat sie ein neuer Anbau nötig gemacht.
Mit konzentrierter Aufmerksamkeit kontrolliert Kommandant Hartmut Schaffroth das Geschehen. Denn dass die Neuenstädter Wehr nicht aus der Übung kommt, dafür sorgt die Realität: „Seit gestern hatten wir zwei Pkw-Brände auf der Autobahn und einen Containerbrand auf einem Parkplatz“, erzählt der oberste Feuerwehrmann.
Bild: „Auch ohne Feuer wird einem da ganz schön warm, besonders den Kameraden mit den Atemschutzgeräten.“ Hartmut Dierolf