Unglücksfälle stellen für alle Beteiligten, ob Opfer, Angehörige, Augenzeugen oder Einsatzkräfte, eine große körperliche und seelische Belastung dar. Dann braucht auch die Seele erste Hilfe, sagte Staatssekretär Rudolf Köberle am Mittwoch, 13. Dezember 2006, in Stuttgart. Um die seelsorgerische Betreuung von Menschen bei Katastrophen und schweren Unfällen sicherzustellen, werde dieser wichtige Dienst jetzt in einer neuen Vereinbarung mit der Evangelischen Landeskirche in Baden, der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, der Diözese Rottenburg-Stuttgart und der Erzdiözese Freiburg verankert. Er habe diese Vereinba-rung bereits für das Land unterzeichnet, bis Ende des Jahres werde die Regelung in Kraft treten.
Nach der neuen Vereinbarung benennen die Kirchen den Land- und Stadtkreisen speziell für Katastrophenfälle ausgebildete Seelsorgerinnen und Seelsorger sowie entsprechend qualifizierte ehrenamtliche Helfer. Diese besondere Ausbildung werde auch von der Landesfeuerwehrschule in Bruchsal unentgeltlich angeboten. Die optimale Versorgung und Betreuung von Opfern und Angehörigen steht bei jedem Einsatz im Vordergrund. Und jedes schwere Unglück oder Katastrophe stellt die Einsatzleitungen vor völlig neue Herausforderungen. Deshalb ist es wichtig, dass Notfallseelsorger verstärkt auch in Katastrophenschutzübungen eingebunden werden. Auch das ist in der Vereinbarung mit den Kirchen festgeschrieben, sagte Köberle.
Der Staatssekretär bekräftigte dabei die bewährte langjährige Zusammenarbeit des Innenministeriums mit den Kirchen auch in der Notfallseelsorge. Opfer und Hinterbliebene, aber auch Einsatzkräfte könnten nach einem Unglück zudem von sogenannten Kriseninterventionsteams und Notfallpsychologen Hilfe erhalten. Die Landratsämter und die Bürgermeisterämter in den Stadtkreisen vermitteln Betroffenen von tragischen Ereignissen auf Wunsch auch erste psychosoziale Unterstützung. Es ist ein Angebot, das auch genutzt werden sollte, damit die Seele keine schweren Narben davonträgt.
Wichtig sei auch die wertvolle Arbeit der Kirchen innerhalb der Polizei des Landes beispielsweise in der Aus- und Fortbildung. Die Kirchen bieten den Beamten und Mitarbeitern der Polizei und ihren Familien ihr verlässliches Netz von Seelsorge in der örtlichen Gemeinde und in Beratungsstellen. In Krisenberaterteams, die bei den vier Landespolizeidirektionen, beim Polizeipräsidium Stuttgart und bei der Bereitschaftspolizei eingerichtet sind, wirkten neben Polizeiärzten zudem haupt- oder nebenberufliche Polizeiseelsorgerinnen und -seelsorger mit, die mit dem polizeilichen Alltag vertraut seien. Dies beruhe auf einer Vereinbarung des Landes mit den Kirchen aus dem Jahr 2002. Psychosoziale Hilfestellungen würden daneben 105 speziell ausgebildete Konfliktberater bei den Polizeidienststellen im Land geben.
Für schwere Unglücksfälle im Ausland - etwa beim Seebeben in Südostasien im Dezember 2004, bei Flugzeugabstürzen, bei Bus- oder Schiffsunfällen - sei beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn eine zentrale Stelle zur Koordinierung der Nachsorge, Opfer- und Angehörigen-Hilfe (NOAH) für betroffene Deutsche eingerichtet. Auch diese Stelle arbeite in enger Abstimmung mit den koordinierenden Notfallseelsorgern der Landeskirchen und Bistümer, aber auch mit dem Auswärtigen Amt, dem Bundeskriminalamt, den Lagezentren der Bundesländer, den Landeskriminalämtern, den Innen- und Gesundheitsministerien der Länder, den Hilfsorganisationen sowie psychologischen und psychiatrischen Fachkräften. Wir haben damit ein umfassendes Netzwerk im Land, um Menschen auch in großer seelischer Not Rat und Hilfe anzubieten, sagte Köberle.
Die Idee der Notfallseelsorge entstand in einem Kreis von Pfarrern und anderen kirchlichen Mitarbeitern, die neben ihrem Hauptberuf auch im Rettungsdienst oder bei der Feuerwehr tätig waren.
Die Notfallseelsorge leistet nach einem Unglück Beistand und Betreuung für Opfer und deren Angehörige, für anderweitig Betroffene und für Einsatzkräfte, die in gleicher Weise extremen psychischen und physi-schen Belastungen ausgesetzt sind. Die Kirchen benennen den unteren Katastrophenschutzbehörden (Landratsämter und Bürgermeisterämter in den Stadtkreisen) die Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger, die nach dem Landeskatastrophenschutzgesetz bei ihren Einsätzen Helferstatus genießen. Für diese Aufgabe gewährt das Land keine Vergütung, es ersetzt jedoch Sachschäden und auf Antrag notwendige Auslagen.
Auch die Führungs- und Lagezentren der Polizei können Seelsorgerinnen und Seelsorger jederzeit alarmieren, zum Beispiel wenn Polizisten Todesnachrichten überbringen müssen.
Das bisherige Abkommen war zeitlich abgelaufen und musste daher neu geregelt werden. Die neue Version hat eine Laufzeit von mindestens sieben Jahren.