Die Bilder von damals hat Margarete Mall noch im Kopf. "Man steigt über einen halben Meter Schutt und Asche, alles ist zerstört und verschmort. Man versteht die Welt nicht mehr und ist einfach fassungslos."
Durch ein Feuer mit extremer Hitzeentwicklung ist ihr Reihenhaus in Bad Wimpfen ausgebrannt. Es war der 6. Juni 2008, morgens gegen 10 Uhr. Ein Kurzschluss in der Waschmaschine hat mit einem Schlag das Stück Heimat vernichtet.
Sicherheit
Jetzt, mehr als zwei Jahre später, ist sie mit ihrem Mann in das sanierte Haus zurückgekehrt. Um das Geschehene verarbeiten zu können, hat die 57-Jährige einen besonderen Weg gewählt. Zwei große Schutzengel prangen an der Fassade im Neuen Weg 5. Ein Bild, das ein befreundeter Künstler dort mit Pinsel und Dispersionsfarbe auf Acrylbasis gemalt hat. "Ich habe das gebraucht", sagt die Hausfrau. Die Engel sollen ihr und dem Haus "ein bisschen Sicherheit" geben, hofft sie. Sie nennt es einen symbolischen Schutzschild, der ihr "wichtig ist".
Rund zwei Jahre haben die Malls das zerstörte Haus zum großen Teil in Eigenarbeit saniert. Sie wohnten zunächst mit ihren zwei Söhnen in einer Ein-Zimmer-Wohnung auf 40 Quadratmetern, dann in einem Nachbarhaus, das leer stand. Abends und am Wochenende waren sie fast immer auf der Baustelle. In dieser Zeit "haben wir nur funktioniert", sagt die 57-Jährige. Und jetzt, nachdem alles wieder in neuem Glanz erstrahlt, hatte Margarete Mall beim Einzug dennoch "ein ganz komisches Gefühl".
Ihre Stimme stockt, sie muss kurz innehalten. Sie erzählt von den Milchzähnen ihrer Kinder, die den Flammen zum Opfer fielen, allen Kleidern, den vielen Gemälden, den Geschenken, den Fotoalben. Beim Einkauf für den Alltag achtete sie immer darauf, wo es die besten Rabatte gibt. Nachbarn sammelten für sie bei einer Tauffeier. Eine Bekannte organisierte über einen Discounter einen Transporter mit Hilfsgütern, von der Matratze über eine Kaffeemaschine bis zu einem Staubwedel und einer Kochplatte. "Ich war überwältigt", sagt sie.
Panisch
Auch der Künstler, der die Fassade bemalte, nahm kein Geld. Im Internet hatte Margarete Mall ein derartiges Engelbild gesehen und war sofort berührt. "Mach, Schatz", sagte ihr Mann zu den Plänen. Das Bauamt hatte keine Bedenken, weil das Haus außerhalb der Altstadt liegt. Andernfalls wäre eine denkmalrechtliche Genehmigung nötig gewesen.
Die friedliche Atmosphäre des Engelbildes löst bei Margarete Mall Ruhe aus. Doch noch immer sind Gedanken an den Brand gegenwärtig. Als Nachbarn grillten, bekam sie vom Rauchgeruch Panik. "Oh Gott, wo kommt das her?", dachte sie. Bei jedem kleinen Geräusch ist sie nach dem Einzug nachts aufgewacht. Wie ein scheues Reh hat sie sich gefühlt.
Sie ist noch immer "übersensibilisiert", wie sie zugibt. Einen Feuerlöscher und sieben Rauchmelder hat die 57-Jährige jetzt gekauft. Waschmaschine, Herd, Licht − alles überprüft sie, wenn sie das Haus verlässt. Sie hofft, dass sich der Zustand legt. Die Schutzengel sollen dabei helfen.
Bild: Margarete Mall zwischen den Schutzengeln an ihrer Hausfassade. Im Juni 2008 hatte ein Feuer das Reihenhaus zerstört, als sie beim Arzt war. Jetzt, nach dem Wiedereinzug, war es ihr wichtig, symbolisch etwas zu tun. (Foto: Carsten Friese)