Die Massenkarambolage auf der A 6 am Mittwoch, bei der zwei Menschen starben und acht verletzt wurden, hinterlässt ihre Spuren. Der Verkehr rollt zwar wieder auf der Autobahn bei Untereisesheim. Doch Rettungskräfte und Polizei beklagen nach wie vor, wie schwer sie es hatten, zu den Unfallstellen vorzudringen. Die Fahrer machen die Gasse nicht frei, sagt Eberhard Jochim. Kein Einzelfall, berichtet der Kommandant der Heilbronner Feuerwehr, sondern Standard bei Noteinsätzen.
Dabei zählt jede Sekunde, betont DRK-Rettungsdienstleiter Lothar Reinhard. Doch die Sanitäter müssten manchmal sogar aussteigen und die Fahrer bitten, Platz zu machen. Das ist rücksichtslos, kritisiert Jens Brockstedt - und nimmt dabei keinen Verkehrsteilnehmer aus. Allerdings macht er speziell Lkw-Fahrern die Blockade im Stau zum Vorwurf. Die ganz Unvernünftigen stehen nicht nur auf der zweiten, sondern verbotenerweise sogar ganz links auf der dritten Spur. Sie wollen die ersten vor den Autofahrern sein, wenn der Verkehr wieder anfängt zu fließen.
Unwissen Der Unwillen zur Gassenbildung resultiert laut Feuerwehrmann Jochim auf Unwissen. Viele Fahrer sind sich der Situation nicht bewusst, fahren im Stau zu dicht auf den Vordermann auf und werden dann manövrierunfähig. Dabei lerne doch jeder in der Fahrschule, wie es funktioniert. An uns liegt es nicht, verteidigt der Heilbronner Marino-Fahrlehrer Rainer Büchel seine Zunft. Allerdings wundert sich Werner Sonneck, der ausschließlich Bus- und Brummifahrer schult, was seine Absolventen in der Praxis alles über Bord werfen. Es wird schon zu Recht auf die Lkw-Fahrer geschimpft, sagt der Heilbronner Fahrlehrer. Die denken: Wenn ich nicht durchkomme, soll der Autofahrer auch nicht durchkommen. Allerdings macht Sonneck die Erfahrung, dass Autofahrer, die bei ihm den Lkw-Führerschein machen, vom hohen Führerhaus eine andere Sicht auf Dinge bekommen.
Rücksichtslos hinterm Brummi-Lenkrad? Das würde ich nicht so verallgemeinern, sagt Klaus Weiß von der Spedition Fritz in Schwaigern. Wenn einer unserer Fahrer die Straße mit Absicht blockieren würde, bekäme er eine Abmahnung. Sven Kugler (Spedition Wüst) kennt den schlechten Ruf, der den Brummis vorauseilt. Dabei können sie nichts dafür. Sie sind langsamer und größer als Autos und werden darum als Störfaktor wahrgenommen.
Wildwest Egal ob Lkw- oder Autofahrer: Feuerwehrkommandant Jochim beschreibt das Gesamtbild, das sich ihm täglich auf den Straßen und Autobahnen bietet, als wilden Westen. Fahrstil: aggressiv. Die Verkehrsteilnehmer stünden auf dem Standpunkt: Ich zahle Steuern, die Straße gehört deshalb mir.
Bild: Durch diese hohle Gasse müssen sie kommen: Die Feuerwehr und die Rettungskräfte haben in Rückstaus öfter Probleme, zur Unfallstelle zu gelangen. (Foto: Dittmar Dirks)