Der Alarm im Bad Friedrichshaller DRK-Pflegeheim beim Medicus geht durch Mark und Bein. Eine defekte Mikrowelle hat einen Brand im ersten Stock und das schrille Geräusch ausgelöst. Überrascht ist aber niemand. Pünktlich um 14 Uhr sagt Karin Remmlinger, Assistentin der Residenzleitung: „Jetzt geht es los.“ Kaum drei Minuten später braust die Feuerwehr heran. Einsatzleiter Volker Windbiel überprüft die Lage: 20 Bewohner im Alter zwischen 70 und 100 Jahren sind in Gefahr, manche verwirrt und gehbehindert, einige werden vermisst.
Zum Glück ist die Probe nur fiktiv, ein Ernstfall aber durchaus realistisch. Bereits im April hatte es eine kleine Übung gegeben. Dann waren vor acht Wochen weitere Rauchmelder in der DRK-Residenz eingebaut worden, bei den Reinigungsarbeiten platzte ein Staubsaugerbeutel: Ein Fehlalarm, der die Idee zur Großübung entstehen ließ, erzählt Karin Remmlinger. Bewohner und Statisten sind mit von der Partie. „Unsere dementen Senioren haben wir ins Gemeindehaus St. Barbara ausquartiert, weil der Alarm bei ihnen Kriegserinnerungen zurückrufen und Panik auslösen könnte.“
Schutzmasken Immer mehr Bad Friedrichshaller Feuerwehrleute dringen ins Gebäude vor, erkunden mit Atemschutzmasken die Flure, legen Löschschläuche und führen erste Senioren behutsam die Treppe hinunter. Schnell treffen auch Kollegen aus Neckarsulm und Oedheim ein. „Mein Gott, mein Gott“, seufzt Marta Pfisterer, als sie die Treppen hinunter begleitet wird. Ihre Tochter Brigitte lässt sich als Besucherin mitretten, „damit meine 85-jährige Mutter nicht alleine ist“. Renate Bauer, die ehrenamtlich eine Strick- und Bastelgruppen leitet, hat sich als „Bewohnerin zwölf“ in Zimmer 141 zur Verfügung gestellt. „Es interessiert mich einfach, wie man die Leute hinausbringt, wenn mal wirklich etwas wäre“, sagt sie.
Verletzte Alles klappt wie am Schnürchen: Durch die Vielzahl der Verletzten ist die DRK-Einsatzeinheit Nord alarmiert und blitzschnell vor Ort. Unter dem Kommando des organisatorischen Rettungsdienstleiters Daniel Galgoci wird auf dem unteren Parkplatz ein mobiles Notfall-Lager aufgebaut – dort werden die Patienten in Augenschein genommen, werden sie in drei Verletzungsstufen eingeteilt. Die Gesunden bekommen Getränke, die Verletzten werden im Notfallzelt medizinisch versorgt und für den Transport ins Krankenhaus vorbereitet.
Damit niemand vergessen wird, notiert Andrea Langenecker von der DRK-Residenz akribisch, wer gerettet wurde. „Wo Mama? Geh weg!“, sagt Elfie Deger-Föll und wehrt sich heftig und mit einem blauen Häkelhasen fuchtelnd gegen die erste Begutachtung durch Bodo Wurdak. Er ist als Arzt des Gerätewagens und neben Dr. Florian Abend als Leiter der Notarzt-Gruppe Heilbronn eingesetzt. Ihr schauspielerischer Einsatz ist durchaus beabsichtigt: Sie und ihr Ehemann Karl, die beide in der Heilbronner Sozialarbeit des Roten Kreuzes ehrenamtlich tätig sind, sollen ein schwer dementes Paar sein. „Man muss das realistisch spielen, damit die Helfer üben können, wie man an so jemanden rankommt“, sagt Elfie Deger-Föll.
Während acht Schauspiel-Senioren über die eine Drehleiter vom Balkon auf der Kanalseite gerettet werden, lässt sich Willi Keck von einer weiteren Drehleiter über die Vorderseite des Gebäudes befreien. Mit sichtlichem Vergnügen für den fast 92-Jährigen: „Ich bin schon so alt, dass ich keine Angst mehr haben muss“, sagt er augenzwinkernd.
Bild: Aus einem Küchenfenster im ersten Stock der DRK-Seniorenresidenz quillt Rauch: In wenigen Minuten ist die Bad Friedrichshaller Feuerwehr vor Ort, um den Brand zu löschen und die Bewohner zu retten. (Foto: Ute Plückthun)