Das System Rettungsdienst ist im Umbruch: Auf einen Schlag ist im Dienstbereich für den Stadt- und Landkreis Heilbronn in den vergangenen Wochen an drei von elf Rettungswachen nachgerüstet worden. Nachdem die gesetzliche Hilfsfrist, in mindestens 95 Prozent aller Notfalleinsätze in 15 Minuten am Einsatzort zu sein, im Vorjahr nicht erreicht wurde, sieht es in diesem Jahr nicht besser aus. Mit anderen Worten: Die Retter kommen zu oft zu spät am Einsatzort an. „Der Bereichsausschuss hat Gegenmaßnahmen beschlossen“, erklärt DRK-Geschäftsführer Ludwig Landzettel auf Stimme-Nachfrage.
Seit September ist in der Wache Bad Rappenau von Montag bis Freitag von 9 bis 19 Uhr ein zweiter Rettungswagen im Einsatz, der Engpässe überwinden soll. Es dauere zu lange, bis bei einem weiteren Notfall ein Wagen von einem anderen Standort nachrücken kann, erklärt Landzettel. In der Lauffener Rettungswache ist die Arbeitszeit von Montag bis Freitag ausgedehnt worden: statt von 8 bis 18 ist die Wache nun von 6 bis 24 Uhr besetzt – auch, um bei parallelen Notfällen in der Stadt Heilbronn einspringen zu können. In der Wache Brackenheim ist das System, dass der Notarzt im Alarmfall in einen Rettungswagen zusteigen muss, verändert worden. Seit wenigen Tagen steht ihm unter der Woche von 8 bis 20 Uhr ein eigenes Notarzteinsatzfahrzeug zur Verfügung, er kann jetzt direkt ins Auto steigen und losfahren. „Ein Zeitgewinn“, wie Landzettel versichert.
Für bis zu sieben neue Stellen fallen Personalkosten von etwa 315 000 Euro pro Jahr an, die zwei Fahrzeuge kosten etwa 125 000 Euro. Eine große Summe wird von den Kostenträgern in das System investiert, das durch ständig steigende Einsatzzahlen an seine Grenzen gestoßen war.
Zeitstempel
Ob die drei Maßnahmen reichen, um die 15-Minuten-Frist künftig einzuhalten? ASB-Rettungsdienstleiter Werner Eckert sieht eine klare Verbesserung. Ob die Hilfsfrist dann eingehalten werden kann, müsse man beobachten.
Derweil zimmert das Innenministerium daran, den Rettungsdienst in wichtigen Bereichen umzustrukturieren. Elektronische Zeitstempel, mit denen die Arbeit der Retter erfasst wird, sollen ausgeweitet werden. Das erste Telefonsignal, die Dauer, bis ein Hörer abgenommen wird, Alarmierung und Eintreffen am Unfallort, Behandlung, Fahrt zum Krankenhaus und die Ankunft in der richtigen Abteilung sollen erfasst und von einer neuen Qualitätssicherungsstelle überprüft werden. „Damit man in der gesamten Rettungskette besser auf Personalbedarf reagieren kann, wenn Zeit verloren geht“, erklärt Hermann Schröder, Referatsleiter Feuerwehr und Rettungsdienst im Innenministerium.
Die Hilfsfrist soll für Rettungswagen künftig nur noch zwölf Minuten betragen – bei Notärzten bis zu 18 Minuten. „Der Erste, der kommt, sorgt dafür, dass der Patient überlebt“, erklärt Schröder. Parallel wird eine Notfallsanitäterausbildung im Land zur Regel, Rettungsassistenten werden nachgeschult. Sie dürfen dann auch Infusionen anlegen, Spritzen geben, intubieren – was bisher der Notarzt tat. Da die Retter früher am Unfallort seien, gebe es in jedem Fall „eine Qualitätsverbesserung“, ist Schröder überzeugt.
Ludwig Landzettel und Werner Eckert stufen die neuen Ziele im Interesse der Patienten als positiv ein. Bei einer Zwölf-Minuten-Frist sehen sie mehr Rettungswagen plus Personal jedoch als notwendige Folge an. Und: „Da stehen auch neue, zusätzliche Standorte in der Diskussion“, glaubt ASB-Chef Eckert.
Bild: Einsatz der Notfallretter: Die Hilfsfrist für Rettungswagen soll nach Landesplänen verkürzt werden, Patienten sollen schneller versorgt werden. (Foto: Archiv/Sawatzki)