Ein Sekundenbruchteil, und der Radlader hat dem nagelneuen E-Klasse-Mercedes das Dach eingeschlagen. Wenige Meter weiter wird ein roter Pkw kopfüber auf eine Mauer fallen gelassen. Klingt nach Actionfilm. Ist aber auf der Heilbronner Theresienwiese, und ist das weltweit erste Rettungsseminar dieser Größenordnung.
Rund 70 (großteils schon schrottreife) Pkw und zehn Lkw sind am Wochenende unter Ausschluss der Öffentlichkeit am Heilbronner Neckarufer zerschnitten und zerlegt worden: immer auf der Suche nach der schonendsten Methode, einen verunfallten Menschen aus dem Wrack seines Fahrzeugs zu befreien. „Wir wollen nicht nur die besten Rettungsgeräte der Welt produzieren, sondern auch den richtigen Umgang damit vermitteln“, nennt Reiner Stuber von der Güglinger Weber-Hydraulik GmbH das Motiv für dieses ehrgeizige Projekt.
Der Unterländer Hydraulik-Hersteller ist im Bereich Rettungsgeräte deutschland- und österreichweit Marktführer und auch weltweit unter den führenden Firmen. Selbst im Iran und in Nigeria halten die Ausbilder der Firma regelmäßig Katastrophenschutzseminare ab. Bei den „Rescue days “ auf der Theresienwiese soll erstmals „alles Know-How einfließen“, erklärt Weber-Prokurist Volker Oberhagemann die Aufsehen erregende Aktion, die 120 Teilnehmer aus ganz Deutschland, Luxemburg, der Schweiz, Österreich, Italien und von allen großen Feuerwehren der Niederlande nach Heilbronn gelockt hat - für 380 Euro Seminargebühr pro Kopf.
„Dass man da 100 000 Euro teure Autos zerschneiden darf“ , sagt Albert Schiegl von der Landesfeuerwehrschule Regensburg, „das hat schon weh getan.“ Der Audi A 8 mit gerade mal fünf Kilometern auf dem Tacho, der BMW 318i, das Mercedes CLK-Cabrio: All die Luxusklassewagen sind nach ihrem Auftritt beim Freiluftseminar nicht mehr zu gebrauchen. „Hier geht's nicht ums Befreien“, verdeutlicht Oberhagemann den Unterschied zu den anderen Übungsstationen, „sondern darum, wie das Auto funktioniert. “
Wer wüsste schon auf Anhieb, dass die Batterie - die nach einem schweren Unfall sofort abgeklemmt werden muss, um zu verhindern, dass das Fahrzeug womöglich zu brennen beginnt oder ein Airbag auslöst - beim E-Klasse-Mercedes nicht etwa unter der Motorhaube, sondern versteckt unterm Kofferraum liegt? Die Luxus-Anschauungsobjekte muss Weber-Hydraulik den großzügigen Automobilherstellern übrigens nach dem Seminar zerschnitten zurückgeben - einfach um sicherzustellen, dass die Autos auch tatsächlich fürs Seminar benutzt wurden. . .
Schon beim Anblick des grauen Citroen bekommt man Gänsehaut: Er ist - fiktiv, aber es sieht sehr echt aus - unter einen Lkw-Auflieger gerast, der (Puppen-)Fahrer eingeklemmt. Kurt Schoenfeld zeigt den american way of rescue: Vom Kofferraum kommend schneiden die Feuerwehrleute die Sitze und alles andere weg, was im Weg ist, um den Verletzten zu bergen. Jürgen Vogt von der Berufsfeuerwehr Heilbronn fotografiert, um seine Kollegen später weiterzubilden. „Wir hätten die Person links über die Seite geholt“, sagt er. Auch das wird vermittelt: Meist gibt es mehrere Methoden.