Die Degmarner Straße in Oedheim gleicht einem Katastrophengebiet – auch drei Tage nach dem schweren Gewitter. Überall arbeiten Anwohner, kippen braune Brühe aus oder tragen Möbel aus den Häusern. Einige Familien haben sich Container organisiert, um den Schutt zu beseitigen. Es wird noch einige Tage dauern, so schätzen sie, bis sich wieder so etwas wie ein Normalzustand einstellt.
„Ich habe seit Freitagabend zwei Stunden geschlafen“, sagt Walter Denz, 59. Auf seiner Stirn klebt angetrockneter Matsch. „So schlimm war es noch nie.“ Denz führt durch sein Haus wie durch ein Museum, nur macht er das schweren Herzens. Alles ist zerstört, Dreck klebt an den Wänden, der Hobbyraum ist keiner mehr. Vor der Garage steht Tochter Tanja und spritzt mit dem Hochdruckeiniger das ab, was noch zu retten ist. Sie hat sich freigenommen. Im Ort spreche man schon von der „Straße des Grauens“, sagt sie.
Fortgerissen
Auf dem Gehweg liegen Kartoffeln von den Äckern oberhalb des Wohngebiets. Die Leute sagen, „ein reißender Fluss“ sei hier am Freitagabend durch die Straße geflossen, fast einen Meter hoch. Marianne Denz wollte zu diesem Zeitpunkt vom Auto zum Haus gehen und ist von den Wassermassen fortgerissen worden. Um ihre Beine hat sie einen Verband gewickelt, das Wundwasser drückt sich durch. Die Haut ist aufgeschürft. Sie habe „40 Meter Todesangst“ hinter sich. Sie hatte um Hilfe gerufen, retten musste sie sich alleine.
Bei Familie Warkall ist das Wasser ins Wohnzimmer eingedrungen. „Die Küche muss raus“, sagt Marc Warkall, 34, der Schlamm habe sie zerstört. Und die Heizung sei auch kaputt. Auf mehrere 10 000 Euro schätzt er den Gesamtschaden.
Besonders hart sind auch landwirtschaftliche Betriebe vom Unwetter getroffen worden. Gerhard Kemmler, 57, aus Bad Friedrichshall–Kochendorf spricht von großen Ernteausfällen, teilweise 70 bis 100 Prozent. Sieben Tonnen Erdbeeren, die vom Hagel getroffen wurden, mussten weggekippt werden – es werden noch mehr. Die Saisonarbeiter müssen sie trotzdem pflücken, weil die Fäulnis der beschädigten Erdbeeren sehr schnell auf die anderen übergreifen kann. Die Gurkenernte fällt dieses Jahr für Kemmler komplett aus. Fassungslos kniet er auf dem Acker, keine Gurke ist mehr zu sehen. Sie wurden von den Wassermassen abgerissen und weggeschwemmt.
Der Boden sieht stellenweise aus wie ein Watt, auf den trockenen Flächen wiederum bilden sich erste Risse. „Das waren die schönsten Gurken, die wir je hatten“, sagt Kemmler. Auch die Zucchini sind größtenteils zerstört und haben Löcher, als hätte sie jemand beschossen. Einen solchen Hagelschaden hatten er und seine Kollegen von den Aussiedlerhöfen noch nie erlebt. Auf mehrere Millionen Euro beziffert ihn Kemmler. „Das wird für uns eine Nullrunde“, sagt er. „Dazu kommt die nervliche Belastung.“
Bild 1: So sieht am Montag ein Garten in der Degmarner Straße in Oedheim aus. Rasenmäher, Fahrräder, Möbel – alles ist voller Schlamm. Fabian Fälchle, der in einem Nachbarhaus wohnt, ist den ganzen Tag mit Aufräumarbeiten beschäftigt.Bild 2: Keine Gurke ist mehr übrig: Landwirt Gerhard Kemmler auf den Äckern. (Fotos: Hoffmann)