„Aua, mein Bein.“ Dieter Kleinschrod sitzt mit halb geschlossenen Lidern im Führerhaus eines Lkw und stöhnt. Für ein Lkw-Rettungsseminar von Notärzten, Rettungsdienst und Feuerwehren aus dem Stadt- und Landkreis in Pfaffenhofen ist der Laienschauspieler in die Rolle eines schwer Verletzten geschlüpft.
Hilfe ist schon unterwegs. Kaum hat Dr. Wolfgang Balz, der Koordinator der Aktion, das Kommando zum Start gegeben, biegen zwei Wagen der Pfaffenhofener Feuerwehr mit Sirenengeheul um die Ecke. Im Nu hat die Mannschaft eine Leiter an den Unfallort gebracht, die Seitenscheibe abgeklebt und eingedrückt.
Der Weg ist frei für Notarzt Wolfgang Balz. Er klettert ins Innere der Fahrerkabine, redet dort beruhigend mit dem Verletzten. „Dieter, durchhalten.“ Dieter wird untersucht, der Arzt will seinen Zustand stabilisieren. Wolfgang Balz legt einen intravenösen Zugang, zieht Dieter eine Beatmungsmaske über und setzt ihm einen Helm auf den Kopf. „Hilfe.“
Weil es bei der Übung nicht um Schnelligkeit geht, sondern um den Lerneffekt für die 75 Teilnehmer des Seminars, wollen die Feuerwehrleute alle Rettungswege in die Fahrerkabine frei machen. Also muss die 50 Kilo schwere Frontscheibe weg.
Zuerst wird das Glas nass gemacht, um den Staub zu binden. Dann hämmern zwei Mann von einer Arbeitsbühne aus auf das Sicherheitsglas ein, säbeln mit einer Glassäge durch die Schichten. Der verletzte Dieter, Arzt und Rettungssanitäter haben sich im Führerhaus unter einer Plane vor umherfliegenden Glasscherben in Sicherheit gebracht. „Siehst du, was das Kraft kostet?“, sagt einer der Zuschauer in Rettungskluft zu seinem Kameraden. Nach mehreren Minuten kommt die Scheibe den Helfern entgegen. Auch dieser Weg zum Verletzten ist frei. „Was ist denn überhaupt passiert?“, will Dieter wissen.
Wie Matthias Fried, der den Einsatz der Pfaffenhofener Wehr an diesem Nachmittag leitet, haben viele andere der Freiwilligen Feuerwehrmänner bisher noch keine Lkw-Rettung durchführen müssen. „Aber Lkw-Unfälle nehmen durch die EU-Osterweiterung zu“, sagt der Heilbronner Notarzt Dr. Georg Breuer. „Vor ein paar Monaten hatten wir innerhalb einer Woche drei oder vier schwere Unfälle auf der A6.“ Deshalb sei es so wichtig, die „patientengerechte Rettung“ und die Zusammenarbeit der Einsatzkräfte zu üben.
„Leute, dem Patienten geht es schlechter.“ Wolfgang Balz treibt seine Kollegen an. Schon über 30 Minuten schaffen Matthias Fried und seine Männer an der Kabine, hebeln die Türe aus den Scharnieren, schneiden das Blech auf. Dann gibt der Notarzt die Anweisung: „Auf Kommando ganz langsam raus.“ Die Männer heben Dieters Beine an, schieben ihm die Bahre unter. Dieter schreit vor Schmerzen. Nach genau 45 Minuten ist er gerettet, die Feuerwehrmänner sind erledigt. Matthias Fried: „Die Übung war kräfteraubend, und der Patient hat sehr gut gespielt.“
Foto:Opfer Dieter Kleinschrod (oben) wird von Notarzt und Rettungsassistent versorgt. Die Feuerwehr bemüht sich unterdessen, den Weg ins Lkw-Führerhaus freizubekommen. (Fotos: Veigel)