Mehr Einsätze, weniger Notärzte: „Wir werden ein großes Problem bekommen“, sagt Professor Ernst Günter Suren von der Heilbronner SLK-Klinik Am Gesundbrunen. Für die kleinen Krankenhäuser wie Möckmühl oder Brackenheim ist es noch schwieriger, genügend Ärzte für die Notfallrettung bereitzustellen, erklärt Dr. Andrea Kleinmann. Sie organisiert für das SLK-Haus in Brackenheim den Rettungsdienst. Schon jetzt gebe es Tage, an denen kein Arzt zur Verfügung stehe. Dann müssen Kollegen von anderen Standorten ausrücken. Obwohl diese zum Teil länger unterwegs sind: Die vorgegebene Frist von 15 Minuten von der Alarmierung bis zum Eintreffen am Einsatzort werde aber meistens noch eingehalten.
Herzinfarkt, Kreislaufzusammenbrüche und zu rund 40 Prozent Unfälle: Im vergangenen Jahr wurden in Stadt- und Landkreis Heilbronn 6432 Mal die Notärzte alarmiert. Die Zahl der Einsätze steigt laut Ernst Günter Suren - wie im ganzen Land - seit einigen Jahren ständig (wir berichteten). Die Gründe seien vielschichtig. Ein wichtiger Faktor sei, dass die Menschen länger leben und im höheren Alter häufiger einen Arzt benötigen.
„Am Gesundbrunnen haben wir noch keinen Notarztmangel“, erläutert der Klinikdirektor. „Es werden aber immer weniger.“ Grund für diese Entwicklung: Es gibt weniger Mediziner-Nachwuchs, seit einigen Jahren werden zudem höhere Ansprüche an die Qualifikation von Notärzten gestellt. Diese können sie nur in einer aufwendigen Ausbildung erwerben. In dieser Zeit fehlen sie ihren Kliniken - was vor allem kleinere Häuser vor große Probleme stellt. An der Klinik von Suren dürfen heute fünf Ärzte ausrücken. Früher waren es elf. Diese Tendenz gilt nach Angaben von Andrea Kleinmann auch in Brackenheim. Sie füllt den Dienstplan an Wochenenden und Feiertagen schon seit längerem mit externen Medizinern auf. Inzwischen versucht sie das auch werktags - nicht immer mit Erfolg.
Suren und Kleinmann nennen einen weiteren Grund der Misere: Ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs führte dazu, dass Bereitschaftsdienste von Ärzten am nächsten Tag mit Freizeit ausgeglichen werden müssen. Früher bekamen sie einen finanziellen Ausgleich. Folge: Die Ärzte verdienen weniger und stehen seltener für Notarzt-Dienste bereit.
Für Andrea Kleinmann ist klar, dass die Situation nur mit finanziellen Verbesserungen für die Notärzte entschärft werden kann. Für den Gesundbrunnen macht Suren folgende Rechnung auf: Von einem 16-stündigen Bereitschaftsdienst bekomme der Arzt 6,4 Stunden bezahlt. Das seien im Schnitt gerade mal 160 Euro - brutto. Dazu kommen pro Einsatz 20 Euro, die ebenfalls noch zu versteuern sind. Der Rest werde mit Freizeit ausgeglichen.
„Regionale Lösungen sind notwendig“, meint der Klinikdirektor. Niedergelassene Ärzte müssten stärker eingebunden werden. Innerhalb der SLK werde daran gedacht, einen Pool von Notärzten aufzubauen, die für unterschiedliche Standorte arbeiten. Zudem bestehe Handlungsbedarf bei der Ausbildung. So sei denkbar, dass der Staat die teuren Kurse bezahle.
DRK oder ASB stellen Fahrzeuge und Sanitäter, die Kliniken die Ärzte bereit. So ist die Rettung im Unterland organisiert. Und die hat ihren Preis: nach Angaben von Suren in Stadt- und Landkreis etwa vier Millionen Euro. Zahlen müssen die Krankenkassen - und am Ende die Beitragszahler. Laut Ernst Günter Suren werden auch die Kliniken belastet. 2006 habe der Gesundbrunnen 270 000 Euro von den Kassen für den Notarztdienst bekommen. Der tatsächliche Aufwand für die Vorhaltung von Personal habe aber rund 350 000 Euro betragen.
Bild: Notärzte werden häufig zu schweren Unfällen gerufen. Die Anforderungen an ihre Ausbildung wurden verschärft. (Foto: Achiv/Färber)