Bei einem tödlichen Unfall am Mittwochabend auf der A6 auf Höhe von Heilbronn-Biberach wurden die Einsatzkräfte massiv behindert. Auto- und Lkw-Fahrer bildeten keine Rettungsgasse. Ein Lkw-Fahrer spuckte sogar gegen ein Feuerwehrauto.
Ein 55 Jahre alter Fahrer eines tschechischen Sprinters übersah nach Angaben der Polizei gegen 18.30 Uhr auf der Autobahn 6 zwischen den Anschlussstellen Bad Rappenau-Fürfeld und Untereisesheim ein Stauende. Er prallte mit großer Wucht gegen die rechte hintere Ecke eines Sattelzugs. Der 55-Jährige starb noch an der Unfallstelle. Die Strecke Richtung Heilbronn war voll gesperrt. Massiv behindert wurden die Einsatzkräfte von Polizei und Feuerwehr, die zum Unfallort eilten.
Ein Polizeiauto mit Kamera fuhr zwischen 19.20 und 20.10 Uhr die Rettungsgasse ab. Die Beamten filmten die Verkehrsteilnehmer, die sich nicht an die Regeln zur Bildung einer Rettungsgasse hielten, erklärt am Donnerstagmorgen Polizeisprecher Carsten Diemer. In den etwa 50 Minuten stellte die Polizei etwa 100 Verstöße fest. Auto- und Lkw-Fahrer hielten stellenweise kreuz und quer.
Der Fahrer eines serbischen Sattelzugs zeigte sich offenbar besonders uneinsichtig. Er beschimpfte die Einsatzkräfte der Heilbronner Berufsfeuerwehr aus dem Fenster seiner Fahrerkabine heraus und spuckte gegen das Fahrzeug der Feuerwehrleute. „Das stört das Auto nicht“, sagte Diemer, „es zeigt aber die Missachtung.“
Autoinsassen auf dem Weg zum Flughafen
Auffällig wurden nach Polizeiangaben auch die vier Insassen eines Ford Fiesta. Der Fahrer nutzte die Rettungsgasse und fuhr bis zur Unfallstelle vor. Dort zeigten die Insassen Flugtickets vor und wollten durchgelassen werden. Sie mussten warten. Carsten Diemer erklärt: Dass im Juli Menschen auf dem Weg zum Flughafen sind, weil sie in Urlaub möchten, sei nicht ungewöhnlich. Jeder, der auf der gesperrten Autobahn warte, habe ein festes Ziel oder einen Termin. Ausnahmen macht die Polizei nur, wenn beispielsweise eine Gesundheitsgefährdung von Insassen vorliege, beispielsweise bei einer Schwangeren.
Feuerwehr: „Schmerzgrenze überschritten“
Frank Zimmermann war beim Unfall am Mittwochabend der Einsatzleiter der Heilbronner Berufsfeuerwehr. Ihm zufolge handelte es sich bei dem bespuckten Fahrzeug um das dritte Einsatzfahrzeug, das zum Unfallort fuhr. „Es rückte nach“, sagte Zimmermann. Da ein Lkw weit nach links in die Rettungsgasse hineinragte, sei nur ein langsames Vorbeitasten möglich gewesen. Der Fahrer des Feuerwehrautos habe den Lkw-Fahrer angesprochen, er solle etwas Platz machen. Diese Aufforderung habe der Fahrer des Sattelschleppers ignoriert. Daraufhin habe der Feuerwehrmann den Außenspiegel des Lkw eingeklappt, um vorbei zu kommen. Die Feuerwehrkollegen im nachfahrenden Auto sahen dann, wie der Fahrer spuckte. Dies habe man der Polizei dann gemeldet.
Bei einem Einsatz konzentrieren sich die Rettungskräfte auf die eigentliche Aufgabe. Vor allem im Nachgang kommen dann derartige Ereignisse ins Bewusstsein, erklärt Zimmermann. „Das macht einen wütend“, sagt er mit Blick auf den Vorfall. „Klar, Lkw-Fahrer haben alle Termine und Zeitdruck“, sagt der Einsatzleiter. Dass einige Autofahrer in einer derartigen Situation aus Überforderung falsch reagierten, kann Zimmermann nachvollziehen. Ein Berufskraftfahrer dagegen sollte wissen, wie er eine Rettungsgasse bildet. Ein Unfall könnte auch ihm einmal passieren. „Wenn wir dann angespuckt werden, ist eine Schmerzgrenze weit überschritten.“
Nach Angaben von Zimmermann waren fünf Fahrzeuge der Heilbronner Berufsfeuerwehr im Einsatz und zwei der Freiwilligen Feuerwehr Bad Rappenau. Der 55 Jahre alte Fahrer des verunglückten Transporters war „schwerst eingeklemmt“. Mit hydraulischem Gerät haben die Einsatzkräfte ihn befreien müssen.
Video wird ausgewertet
Die Ermittlungen der Polizei werden nach Angaben von Polizeisprecher Frank Belz andauern. „Zunächst wird das Video ausgewertet und dann die Fahrer ermittelt.“ Sie erhalten Anzeigen wegen des Nichteinhaltens einer Rettungsgasse; viele Lkw-Fahrer bekommen außerdem eine Anzeige, weil sie das auf der Strecke geltende Überholverbot missachteten. Dies zeigte sich einfach darin, dass einige Lkw auf der mittleren von drei Spuren standen. Der Fahrer des serbischen Sattelzugs wurde gleich vor Ort zur Kasse gebeten, da er keinen Wohnsitz in Deutschland hat. Er bezahlte laut Carsten Diemer 265 Euro, weil er keine Rettungsgasse bildete.
Dass die Polizei mit einem Fahrzeug und Videokamera die Rettungsgasse auf der Autobahn abfuhr, gehört zu ihren Aufgaben. „Wenn wir personell die Kapazität haben, müssen wir das machen“, sagt Diemer. „Wie sonst sollen Verkehrsteilnehmer es lernen?“ Da der Unfall sich gegen 18.30 Uhr ereignete, „hatten die Pkw- und Lkw-Fahrer genügend Zeit, sich zu sortieren“. Es seien ja auch bereits Einsatzkräfte durchgefahren. Lkw-Fahrer erlebten sicher viele Unfälle, gerade sie sollten wissen, wie sie sich richtig verhalten. Das Nichtbilden einer Rettungsgasse „ist kein Kavaliersdelikt“, sagt Diemer. Für Unfallopfer könnte es dramatische Folgen haben.
Heilbronner Stimme: Heike Kinkopf