Fast 100 Tote, viele Verletzte: Zwischen Bad Friedrichshall und Bad Wimpfen kollidieren ein Personen- und ein Güterzug. Ein Triebwagen stürzt in ein Kinderheim. Gas und auslaufende Chemikalien gefährden Anlieger und Natur. Im Landratsamt Heilbronn kommt der Katastrophenschutz-Stab zusammen - zur Übung.
Die Führungsstelle des Landratsamtes liegt im Keller des Gebäudes. Das ganze Jahr über herrscht Ruhe im Bunker. Gestern bot sich ein anderes Bild: emsige Betriebsamkeit. Kurz nachdem Kreisbrandmeister Hans-Wilhelm Hansmann das Szenario bekannt gegeben hat, beruft Lutz Mai, Erster Landesbeamter und Stellvertreter des Landrats, seinen Krisenstab ein. Die Technische Einsatzleitung - für die Übung in Neckarsulm angesiedelt - übermittelt die Schadenslagen. Ihr Leiter ist Hermann Jochim, stellvertretender Kreisbrandmeister.
Die Aufgabe der Behörden-Mitarbeiter ist nun, richtig zu reagieren, die Verbindung zu Polizei, Rotem Kreuz, THW und anderen Organisationen herzustellen. Und das unter den prüfenden Augen von Vertretern der Landesfeuerwehrschule.
Zuerst fließen die Informationen nur spärlich, später üppiger. Per Fax, Telefon und Funk erreichen sie die Führungsstelle. Eine Schlüsselrolle spielt Ottmar Wörz. Im Alltag arbeitet er im Ordnungsamt. Im Katastrophenfall ist er "Sichter". Über seinen Schreibtisch gehen alle ankommenden Informationen. Wörz entscheidet, welche Nachricht für welchen Empfänger bestimmt ist. Ein Bote verteilt sie an die unterschiedlichen Stabsbereiche. Diese wiederum versorgen Stabsleiter Lutz Mai mit allen Informationen. Er ist zusammen mit dem Leiter des Stabsbereichs "Lage" der einzige, der ständigen Überblick über das Nachrichtenmosaik hat.
"Ein Stabsleiter darf nicht den Fehler begehen und selbst mitarbeiten", erklärt Mai. "Er muss den Überblick bewahren und entscheiden." Während Lutz Mai Anweisungen gibt und festlegt, dass der offizielle Katastrophenfall nicht ausgerufen werden muss, klären die Mitglieder des Behördenstabs unzählige Fragen, nutzen das Wissen von Verbindungsmännern und Fachberatern. Wie gefährlich sind die ausgelaufenen Chemikalien? Sind die Bewohner eines Altenheims zu evakuieren? Wo können die Toten gelagert werden? Aus Eisenbahnwaggons sind Zirkustiere entlaufen.
Also: Wer kann Löwen, Tiger und Elefanten in Schach halten und betäuben? Klaus Brenke, Ausbilder der Landesfeuerwehrschule, macht klar, dass bei der Übung nicht für jedes Problem gleich die richtige Lösung gefunden werden muss. "Das Wesentliche ist, dass der Behördenstab mit den Arbeitsabläufen vertraut wird." Der Stab habe die Aufgabe, die Einsatzkräfte vor Ort organisatorisch zu unterstützen. Brenke weist darauf hin, dass der 11. September die Haltung solchen Tests gegenüber verändert habe.
Die Bereitschaft zu üben, sei größer geworden. Seit der bislang letzten Stabsausbildung im Landratsamt sind rund zwei Jahre vergangen. Kreisbrandmeister Hansmann und Lutz Mai sind mit dem Verlauf der so genannten Stabsrahmenübung, an der über 70 Personen beteiligt waren, zufrieden. Gravierende Mängel wurden nach Angaben Hansmanns nicht deutlich. Trotzdem: Der Test habe einige wichtige Anregungen gegeben. "Wir müssen den Informationsfluss innerhalb des Stabes verbessern ", nennt Mai ein Beispiel. Er ist aber sicher: "Wenn das Szenario Wirklichkeit gewesen wäre, hätten wir das in den Griff bekommen."