Bei den Floriansjüngern sitzt jeder Handgriff. Die erste Aufgabe dient zum Warmwerden. Der Fahrer in dem umgekippten Auto ist eingeklemmt. Deshalb müssen die Helfer den Wagen mit Luftkissen und Stützen stabilisieren. Diese Herausforderung bewältigen die Männer und Frauen in acht Minuten.
Es ist eine Fahrt ins Ungewisse. Eine kurze, rasante Fahrt. Drei Kilometer nur. In der Kolonne geht es durch Möckmühl. Acht rote, vollbesetzte Fahrzeuge. Keiner der Insassen weiß, was auf ihn zukommt. Nur eines ist sicher: Es wird ein langer, harter Tag.
33 Leute sind unterwegs zu ihrer bisher größten Übung. Die Männer und Frauen der Möckmühler Feuerwehr trainieren jede Woche für den Ernstfall. Mit welchen Katastrophen sie heute an ihrem Einsatzort konfrontiert werden, weiß nur einer. Der, der sich alles ausgedacht hat: Axel Zielonka. Er ist der verantwortliche Betriebsleiter. Im grauen Koloss, im Logistikzentrum von Kaufland. 217 000 Quadratmeter umfasst das Betriebsgelände. Viel Platz für Feuerwehrübungen.
Kein Gefahrgutzug Die erste, reale Unglücksbotschaft trifft um 8.50 Uhr ein. Sie kommt von den Kameraden aus Bad Rappenau. Ihr Gefahrgutzug ist liegengeblieben. Uwe Thoma bleibt gelassen. „Im Ernstfall wären wir auch erstmal auf uns allein gestellt." Schwerer Verkehrsunfall auf dem Kaufland-Gelände lautet die gerade eingegangene Meldung. Ein Auto steht da, ein anderes liegt auf der Seite, der Fahrer ist eingeklemmt. Jeder weiß, was zu tun ist. Jeder Handgriff sitzt. Das Auto wird stabilisiert. Dann kommt die Frontscheibe raus, dann der Verletzte - ein Dummy aus Holz. Nach acht Minuten ist alles vorbei.
Das Thermometer zeigt minus fünf Grad. Doch die Floriansjünger kommen ins Schwitzen. Denn aus dem angrenzenden Treppenhaus dringt Qualm. Das Feuer hat die Kälteanlage des Logistikzentrums beschädigt. Und noch viel schlimmer: Giftiger Ammoniak wurde freigesetzt. Zwölf Tonnen davon zirkulieren im Kühlsystem. „Wenn das alles austreten würde, wäre hier Ende Gelände." Doch das Sicherheitskonzept funktioniert. Uwe Thoma schickt seine Froschmänner hinein. Es dauert eine Weile, bis die grünen Einteiler mit der Sauerstoffflasche darunter richtig sitzen.
Zu zweit verschwinden die großen grünen Männchen im dunklen Eingang. Einer trägt ein Gerät, das aussieht wie ein Fernglas am Stiel. Mit dieser Wärmebildkamera kann man durch Wände sehen. Im obersten Stock finden die Feuerwehrleute einen Dummy und schleppen ihn raus aus der stechend stinkenden Wolke, aufs Dach. Dort wartet Jürgen Weißmann auf der kleinen Plattform der Drehleiter. Behutsam gleitet er mitsamt Puppe nach unten. Ausruhen kann er dort nicht. Der nächste Unfall wartet. Diesmal im Hochregallager.
Feuer im Fleischwerk 15 Meter sind die Regale hoch, 25 die Decke. Bis zu 20 000 Paletten gehen täglich im Logistikzentrum rein und raus. Wieder muss Jürgen Weißmann nach oben. Dort hängt ein abgestürzter Techniker am Regal. Der Dummy ist extrem schwer zu erreichen. Doch nach einigen Minuten liegt er sicher am Boden und kann abtransportiert werden. Woraufhin unverzüglich der nächste Übungsteil beginnt. Jetzt brennt es im Fleischwerk. Wieder werden die Atemmasken angelegt. Am Schluss ist der Kommandant hochzufrieden. Genau wie Axel Zielonka von Kaufland: „Wir sind froh, euch in der Nähe zu haben." Deshalb gibt's Essen in der Kantine und die zwei „Unfallautos" als Geschenk. „Die könnt ihr zerlegen." Man muss ja in Übung bleiben.
Bildbeschreibung
Hohe Konzentration bei der Großübung. Bei den Floriansjüngern sitzt jeder Handgriff. Die erste Aufgabe dient zum Warmwerden. Der Fahrer in dem umgekippten Auto ist eingeklemmt. Deshalb müssen die Helfer den Wagen mit Luftkissen und Stützen stabilisieren. Diese Herausforderung bewältigen die Männer und Frauen in acht Minuten. Foto: David Binnig