Kreisfeuerwehrverband Heilbronn

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Gefahrenpotenzial hat sich stark verändert

Heilbronnvon Heike Kinkopf, HSt

Interview: 50 Jahre Berufsfeuerwehr Heilbronn – Kommandant blickt zurück und nach vorn

Es ist das Jahr 1971: Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) regiert. Der seit 1952 unterbrochene Telefonverkehr zwischen Ost- und West-Berlin wird wieder aufgenommen. Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher ordnet an, dass unverheiratete weibliche Berufstätige in verantwortungsvoller Position mit Frau statt mit Fräulein anzusprechen sind. Und in Heilbronn? Dort heißt der Oberbürgermeister Hans Hoffmann (SPD), der VfR ist mitten im Kampf um den DFB-Pokal und an der Allee wird das Shoppinghaus vollendet. Die Stadt wächst. Klingenberg wird eingemeindet. Die Einwohnerzahl klettert auf mehr als 100.000. Aus bis dato 41 hauptamtlichen Feuerwehrmännern wird die Berufsfeuerwehr Heilbronn. Anlass, mit Kommandant Fabian Müller zurück- und nach vorn zu blicken.

Die große Geburtstagsparty morgen muss ausfallen. Wie begehen Sie den Tag?

Fabian Müller: Es war eine Feier geplant, aber die verschieben wir jetzt ins nächste Jahr. Bei uns in der Feuerwache gibt es nur ein Fleischkäsweckle oder sonst einen Snack, damit der Tag nicht völlig unbemerkt vorübergeht.

Gab es Wendepunkte oder einschneidende Ereignisse in der 50-jährigen Geschichte der Berufsfeuerwehr?

Müller: Die Inbetriebnahme der Integrierten Leitstelle gehört sicher zu den besonderen Ereignissen. Seitdem sind Feuerwehr und Rettungsdienst eng zusammengerückt. Oder der Bau der Feuerwache. Einschneidend ist bestimmt auch jeder neue Kommandant. Was gleich bleibt, ist, dass sich die Feuerwehr immer an den Wandel der Zeit anpassen muss. Die Einsatzzahlen steigen kontinuierlich und mit ihnen die Personalstärke. Das Gefahrenpotenzial hat sich im Laufe der Jahre stark verändert.

Sind neue Gefahren dazugekommen?

Müller: Wir müssen uns beispielsweise auf moderne Baustoffe wie Wärmedämmsysteme einstellen. Oder auf neue Antriebstechniken wie die Elektromobilität bei Fahrzeugen. Heute werden auch viel mehr Gefahrstoffe transportiert. All das erfordert eine veränderte Vorgehensweise bei Bränden oder Verkehrsunfällen. Oder nehmen Sie die dichtere Wohnbebauung. Das kann die Anfahrt eines Einsatzortes erschweren. Auch der demografische Wandel macht sich bemerkbar.

Wie das?

Müller: Menschen werden älter und bleiben länger in ihren eigenen vier Wänden, auch wenn sie pflegebedürftig sind. Oder Wohnformen mit behinderten Menschen. Bei einem Brand können Menschen die Wohnung vielleicht nicht selbstständig verlassen. Das geht mit einem verstärkten Kräfteeinsatz einher. Die Grundaufgaben der Feuerwehr bleiben gleich, aber die Rahmenbedingungen verändern sich ständig. Dies müssen wir beispielsweise bei der Aus- und Weiterbildung bedenken.

Was muss man mitbringen, um bei der Berufsfeuerwehr anzufangen?

Müller: Ganz wichtig ist die Fitness. Ein Feuerwehrmann muss in der Lage sein, seine Arbeit auch mit 59 Jahren noch zu verrichten. Bei uns braucht man außerdem technisches Verständnis und Teamfähigkeit. Die Feuerwehr funktioniert nur, wenn alle zusammenarbeiten. Wir absolvieren Einsätze unter extremen Bedingungen, etwa wenn es nachts minus 15 Grad hat oder wenn andere frei haben. Wer keine Haltung zur Feuerwehrarbeit mitbringt, wenn es nur ein Job wie jeder andere für einen ist, dann spürt man das auf der Wache.

Worin sehen Sie zukünftig die größten Herausforderungen?

Müller: Ziel ist es, alle Kameraden heil von jedem Einsatz nach Hause zu bringen. Außerdem wollen wir die Motivation der haupt- und ehrenamtlichen Kräfte aufrechterhalten vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen Wandels. Es wird zunehmend schwieriger, Feuerwehr, Freizeit und Familie in Einklang zu bringen. Oder nehmen Sie das Beispiel Elternzeit. Vor Jahren hätte das keiner in Anspruch genommen. Heute jedoch möchten sich die jungen Kollegen verständlicherweise stärker in der Kinderbetreuung und -erziehung einbringen. Wir müssen mit vielen veränderten gesetzlichen Vorgaben etwa bei der Arbeitszeitgestaltung umgehen.

Über welches historische Ereignis sprechen Ihre Leute heute noch?

Müller: Ein Ereignis, das immer mal wieder auf den Tisch kommt, ist der Pershing-Unfall 1985 auf der Waldheide Heilbronn, dem damaligen Raketenstützpunkt der Amerikaner. Das Gelände war eigentlich hermetisch abgeriegelt. Heute erzählen sie, dass die Zusammenarbeit zwischen Feuerwehr und US-Truppen gut war. Oder 2008 der Großbrand auf dem Fiat-Gelände in der Salzstraße, aber auch das Unwetter 2018. Es sind Momentaufnahmen, über die die Kollegen immer wieder sprechen.

Mit welchen Attributen möchten Sie eigentlich später einmal in Verbindung gebracht werden?

Müller: Ich möchte meinen Mitarbeitern mit Empathie begegnen. Gemeinsam wollen wir die Feuerwehr weiterentwickeln. Ich habe eine gute Feuerwehr übernommen und man hat mir Dinge zum Verändern überlassen. Darüber bin ich froh. Führungsstil und Organisation wandeln sich. Die Mitarbeiter wollen ihre jeweiligen Rollen genau kennen. Es reicht nicht, dass ich eine Vorstellung davon habe, ich muss das auch gut kommunizieren.

Zur Person

Fabian Müller (38) stammt aus Neckarsulm, wo er heute noch lebt. Mit elf Jahren geht er zur Jugendfeuerwehr. Nach dem Abitur absolviert er eine Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker und eine Ausbildung zum Rettungsassistenten. Er studiert fünf Jahre Rettungsingenieurwesen in Köln. Bevor er im Herbst 2020 Kommandant der Heilbronner Berufsfeuerwehr wird, leitet Müller bei der Berufsfeuerwehr in Stuttgart die Integrierte Leitstelle ILS. kik


Interview mit den Feuerwehrbeamten Bastian Aras und Thomas Roth

Bastian Aras
21 Jahre, Bad Rappenau

Um die Aufnahmeprüfung für die Heilbronner Berufsfeuerwehr zu bestehen, bereitet sich Bastian Aras sechs Monate gezielt auf den Sporttest vor. „Bei den Ausdauerläufen habe ich mich gequält“, erzählt er. Selbst das Lauf-Training habe jedoch irgendwann angefangen, Spaß zu machen, weil die Kondition besser wird. Die Mühe mache sich bezahlt. Vor einem Jahr beginnt Aras die Grundausbildung. „Ich bereue es keinen Tag, zur Berufsfeuerwehr und zur Stadt Heilbronn gegangen zu sein.“

Zuvor absolviert er eine Ausbildung zum Fachangestellten für Bäderbetriebe in Neckarsulm. Er kümmert sich um die Wasseraufbereitung, hält Anlagen instand, bestimmt PH-Wert oder Chlorgehalt. Zu dem Zeitpunkt ist er Mitglied der Jugendfeuerwehr in seinem Heimatort, und der Übertritt in den aktive Dienst steht an. Die dazu erforderlichen Übungen bereiten ihm einen Heidenspaß. Da reift in ihm der Gedanke, das Ehrenamt zum Beruf zu machen.

„Jetzt helfe ich Menschen nicht nur, ich rette sie. Das ist eine ehrenvolle Aufgabe.“ Die Kameradschaft sei ein wesentlicher Faktor der Arbeit. Das professionelle Miteinander funktioniere. Belastende Erlebnisse nimmt er nicht mit nach Hause, sagt er. Dass er Menschen helfen kann, steht für ihn im Vordergrund. kik

Thomas Roth
58 Jahre, Heilbronn

Seit 30 Jahren gehört Thomas Roth der Heilbronner Berufsfeuerwehr an. „Wenn wir kommen, sind die Menschen in einer schlimmen Situation“, sagt er. Die Aufgabe der Feuerwehr sei es, als organisierte Einheit aufzutreten, die gekommen ist, um etwas gegen diese Lage zu unternehmen, sagt Roth. Dazu gehört das Zusammenspiel mit den ehrenamtlichen Kräften der Freiwilligen Wehr. Seine Arbeit verrichtet er im Auftrag der Stadt Heilbronn, mit dem von ihr zur Verfügung gestellten Gerät.

Dass Roth als Feuerwehrmann arbeitet, ist kein Kindheitstraum. „Ich hatte früher mit der Feuerwehr nichts am Hut.“ Als Zeitsoldat geht er zur Marine, anschließend arbeitet er bei Audi. Sein Vater habe ihn auf eine Stellenausschreibung der Berufsfeuerwehr in der Heilbronner Stimme aufmerksam gemacht. „Er fragte, ob das nicht etwas für mich sei.“ Roth, der schon immer gern Sport macht, ergreift die Chance, dem Berufsleben noch einmal eine Wendung zu geben. Er schafft die Aufnahmeprüfung. Gegenüber den jüngeren Anfängern muss er Gas geben. Es dauert nur wenige Wochen, bis er mit ihnen gleichauf ist. Später wird er Ausbilder. Roth sieht die Berufsfeuerwehr nicht isoliert, sondern als Teil einer Rettungskette, zu der auch Sanitäter und Krankenschwestern zählen.