Interview Landesbranddirektor Karsten Homrighausen sieht keine Alternative zu Freiwilligen Feuerwehren und will Personalgewinnung intensivieren. Im Kampf gegen Gaffer spricht er sich für Sanktionen aus. Probleme gibt es immer noch auf Autobahnen.
Kleine Brände, große Brände, Unfälle auf der Autobahn oder gefangene Katzen: Jeden Tag sind Feuerwehrleute im Einsatz. Meist sind das Ehrenamtliche, die großen Einsatz zeigen. Fast 7000 Aktive sind es in der Region Heilbronn und in Hohenlohe.
Im Interview mit der Heilbronner Stimme würdigt Landesbranddirektor Dr. Karsten Homrighausen den Einsatz der Wehren und kritisiert Gaffer, die die Arbeit der Rettungskräfte behindern.
Herr Homrighausen, wäre ein Schutz der Bevölkerung ohne Freiwillige Wehren denkbar?
Karsten Homrighausen: Aus meiner Sicht: nein. Sie sind aus unserem System nicht wegzudenken. Wir haben im Land 1098 Gemeindefeuerwehren mit rund 170.000 Angehörigen. Davon sind fast 98 Prozent ehrenamtlich und über 110.000 Frauen und Männer in den Einsatzabteilungen tätig. Diese Zahlen allein unterstreichen die Bedeutung der Freiwilligen Feuerwehren.
Wie beurteilen Sie die Personalentwicklung?
Homrighausen: Wir setzen stark auf die Nachwuchsförderung. Die Jugendfeuerwehren wachsen stetig, es sind inzwischen mehr als 30.000 Jugendliche in den Jugendfeuerwehren der Gemeinden aktiv. Mit den Nachwuchsgruppen erreichen wir eine frühzeitige Bindung junger Menschen an die Organisation „Feuerwehr“. Zusätzlich werden Gruppen in den Jugendfeuerwehren für Kinder ab sechs Jahren angeboten. In diesem Alter sind die Kinder zeitlich eher verfügbar, bevor später dann oftmals Ganztagsschule und andere Verpflichtungen hinzukommen.
Bei welchen Bevölkerungsgruppen sehen Sie noch Potenzial. In der Region Heilbronn sind beispielsweise gerade mal knapp sieben Prozent der Aktiven weiblich.
Homrighausen: Auch ich sehe dort noch Potenzial, das ist unstrittig. Vor dem Hintergrund der Tagesverfügbarkeit − das heißt: Wer steht tagsüber für den Einsatz der Feuerwehr zur Verfügung? − haben wir die rechtliche Möglichkeit geschaffen, zwei Gemeindefeuerwehren angehören zu können: am Wohn- und am Arbeitsort. Zusätzlich müssen wir noch schauen, wer tagsüber im Ort einsetzbar ist. Das sind zum Beispiel Selbstständige, aber auch Hausfrauen und Hausmänner und Mitmenschen aus anderen Kulturkreisen. Aufgabe ist es, diese Menschen anzusprechen und Berührungsängste sowie Hemmnisse abzubauen. In den Feuerwehren gibt es eine Vielzahl von Aufgaben, da können wir alle gebrauchen, die Interesse an der Feuerwehr haben und sich für das Gemeinwohl einsetzen möchte.
Man erlebt immer wieder Feuerwehrleute als Saalordner oder Parkplatzeinweiser. Wird den Aktiven zu viel zugemutet?
Homrighausen: Das ist eine Gratwanderung, bei der wir Führungskräfte selbstkritisch genug sein müssen. Immer dann, wenn wir erkennen, dass das Tagesgeschäft die Aktiven so stark belastet, dass es keine Ressourcen mehr gibt, müssen wir uns von anderen Aufgaben frei machen. Aber: Manchmal wird auch Wert darauf gelegt, sich über Einsätze hinaus einbringen zu können.
Welche Rolle werden intensive Kooperationen oder gar Fusionen spielen?
Homrighausen: Bei all diesen Überlegungen ist stets die Leistungsfähigkeit und hier vor allem die Tagesverfügbarkeit in den Fokus zu nehmen. Es gibt bereits gute Modelle, bei denen tagsüber die bei der Kommune beschäftigten Personen zum Einsatzdienst der Feuerwehr herangezogen werden. Ohne Fusion kann man zum Beispiel aber auch bei Einsätzen die Nachbargemeinde mitalarmieren. Sofern Kommunen Fusionsbestrebungen an uns herantragen, bei denen die Leistungsfähigkeit der Gemeindefeuerwehr im Mittelpunkt steht, sind wir grundsätzlich offen.
Mit Lehrensteinsfeld und Ellhofen gibt es ein regionales Beispiel einer gelungenen Fusion − wenn diese auch erst nach langen Diskussion zustande kam. Gibt es ähnliche Fälle im Land?
Homrighausen: Eine Fusion bietet natürlich Chancen. Aber auch Konfliktpotenzial. Wir kennen Zusammenlegungen, bei denen Feuerwehrleute ausgetreten sind, weil sie nicht einverstanden waren. Hier gilt es für unsere gemeinsamen Werte und Ansichten zu werben. Werte wie Kameradschaft, Respekt, Verantwortungsbewusstsein und Toleranz. Selten sind Fusionen von Gemeindefeuerwehren, öfter kommt es zur Zusammenlegung von Abteilungen in einer Kommune.
Einsatzkräfte der Polizei werden zunehmend mit Gewalt und Respektlosigkeiten konfrontiert. Geht es der Feuerwehr ähnlich?
Homrighausen: Gewalt gegen Einsatzkräfte geht gar nicht. Diese Vorfälle müssen von Staat und Gesellschaft mit aller Härte sanktioniert werden. Dieses Thema beschäftigt uns vor allem in den Ballungszentren. Also dort, wo Menschen anonym bleiben. Im Land sind derartige Fälle − Gott sei Dank − noch nicht systematisch in Erscheinung getreten. Das mag auch daran liegen, dass die Aktiven, insbesondere im Ehrenamt, in ihrer Gemeinde bekannt sind. Bei der Einstufung von ausfälligen Bemerkungen und Kommentaren als verbale Gewalt ist aber auch zu berücksichtigen, dass sich betroffene Menschen bei Einsätzen in besonders belastenden Extremsituationen befinden.
Auf der A3 haben Feuerwehrleute Gaffer mit dem Strahlrohr vertrieben. Was muss getan werden, um der Schaulustigen Herr zu werden?
Homrighausen: Es ist noch viel deutlicher zu machen, dass dies die Einsatzkräfte massiv behindert. In der Gesellschaft muss sich das Bewusstsein durchsetzen, dass so etwas nicht sein darf. Der Gesetzgeber hat ja auch schon nachgebessert. Sehr kritisch zu beobachten ist die Entwicklung in den Sozialen Netzwerken, in denen ja zuweilen Bilder von Unfällen oder Unglücken landen. Sehr schnell sind hier auch Persönlichkeitsrechte verletzt.
Ein anderes Bewusstsein wäre auch mit Blick auf das Thema Rettungsgasse notwendig?
Homrighausen: Eine Informationskampagne des Landes soll genau das erreichen. Mit dem Wissen der Ereignisse der jüngsten Vergangenheit müssen wir noch stärker in die öffentliche Erklärung um eine öffentliche Missbilligung zu schaffen. Dazu gehört aber auch, Verfehlungen zu sanktionieren.
Trägt die Kampagne erste Früchte?
Homrighausen: Nach den aktuellen Meldungen offensichtlich noch nicht umfangreich genug. Hier gilt es, ständig auf die dringende Notwendigkeit eines freigehaltenen Rettungsweges hinzuweisen − bereits wenn sich ein Stau bildet. Grundsätzlich möchte ich niemanden unterstellen, dass er mutwillig die Gasse zumacht. Es fehlt noch am Automatismus, intuitiv das Richtige zu tun.
Aus der Feuerschutzsteuer fließen dieses Jahr zwar 56 Millionen Euro in die Gemeindewehren. Trotzdem gibt es einen Investitionsstau. Der Landesfeuerwehrverband fordert mehr Geld. Greift das Land tiefer in die Tasche?
Homrighausen: Zunächst einmal ist es ein Erfolg, dass das Land das Aufkommen aus dieser Steuer für das Feuerwehrwesen vollständig zur Verfügung stellt. Das Volumen der diesjährigen Beschaffungsanträge ist schon geringer als im Vorjahr. Wir sind somit dabei, den sogenannten Antragsstau abzuarbeiten.
Passt die Ausrüstung?
Homrighausen: Ja, das sehe ich so. Zum einen treiben die Feuerwehren vor Ort einen großen Aufwand, um ihre Fahrzeuge und Geräte vorbildlich in Ordnung zu halten. Dafür verdienen sie ein gewaltiges Lob. Zum anderen verfügen sie über eine insgesamt moderne Ausrüstung.
Der Leiter der Landesfeuerwehrschule, Thomas Egelhaaf, hat angeregt, die Ausbildung und Fortbildung der Feuerwehrleute weiter zu verbessern. Teilen Sie dies?
Homrighausen: Seine Anregungen teile ich uneingeschränkt. Die Zusammenlegung der beiden Standorte der Landesfeuerwehrschule in Bruchsal verbunden mit zusätzlichen Gebäuden und Räumen ist ein wesentlicher Schritt zur Ausbildung der kurzen Wege. Vor allem bei den Lernräumen und -möglichkeiten wurden dabei zeitgemäße didaktische und methodische Konzepte berücksichtigt.