Berlin stoppt Böller: Seit dem 1. Oktober ist das Sprengstoffgesetz geändert. Damit sind Feuerwerkskörper in der Nähe von Fachwerkhäusern tabu. Für historische Innenstädte wie in Eppingen oder Brackenheim bedeutet das in der Praxis, dass die Knallerei im Zentrum flachfällt. "Das betrifft auch den Marktplatz", bestätigt zum Beispiel Eppingens Ordnungsamtsleiter Günter Brenner auf Nachfrage. Die Stadt hat wegen der neuen Rechtslage ihr kommunales Feuerwerk abgesagt.
Brandschutz
Städte wie Tübingen waren vorgeprescht: Seit dort beim Jahreswechsel 2008/09 eine Rakete einen Dachstuhl am Marktplatz in Brand gesetzt hatte, wurde das Thema heiß diskutiert. Die Stadt schuf eine eigene Rechtsgrundlage und verbot die Böller ganzjährig. Solche Alleingänge sind nun nicht mehr nötig, seit der Bundesgesetzgeber die Sprengstoffverordnung nachgerüstet hat. Darin heißt es jetzt wörtlich: "Das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände in unmittelbarer Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen sowie Reet- und Fachwerkhäusern ist verboten." Kliniken oder Altersheime genossen schon immer besonderen Schutz. Kein Feuerwerk vor Fachwerk - das ist neu. "Wir werden jetzt in Veröffentlichungen auf das Verbot hinweisen", kündigt Eppingens Ordnungsamtsleiter Brenner an. Er will beim Umweltministerium in Stuttgart nachhaken, was das Gesetz mit "unmittelbarer Nähe" meine. Fachwerk gibt es in Eppingens Innenstadt überall, etwa am Marktplatz, einem beliebten Treffpunkt der Eppinger zum Jahreswechsel. Hier muss die Lunte ausbleiben, auch wenn es "schwierig wird, das Verbot zu überprüfen", wie Karl Franz, Sprecher des Landesumweltministeriums, einräumt.
Spezielle Kontrollen seien personell nicht möglich, sagt Rainer Köller von der Polizeidirektion Heilbronn: "Die Polizei hat in der Silvesternacht ohnehin alle Hände voll zu tun." Man werde vor allem "an die Vernunft der Bürger appellieren". Viele Verwaltungen sind auf dem falschen Fuß erwischt worden. In Mosbach hatte man ein eigenes Verbot diskutiert und verworfen. "Weil das keiner überprüfen kann", erläutert Ordnungsamtsleiter Roland Hofmann. "Faktisch nicht kontrollierbar", urteilt Wimpfens Bürgermeister Claus Brechter über das Gesetz. Das sieht auch Reiner Kriegel so. Er leitet das Ordnungsamt der Stadt Brackenheim. Löwenstein setzt auf Veröffentlichungen und Schilder, um die Bürger aufzuklären.
Zustimmung
Kreisbrandmeister Uwe Vogel begrüßt das Verbot. "Fachwerkgebäude haben eine erhöhte Brandgefahr", erklärt der Feuerwehrexperte. Diese historischen Gebäude lägen oft dicht beieinander. Zudem seien Fachwerkhäuser mit ihrer alten Bausubstanz nicht so gut gegen Feuergefahr geschützt wie moderne Gebäude. Wie die Kommunen sieht auch Vogel das Problem, das Verbot umzusetzen. Er plädiert dafür, die Bürger über die besonderen Gefahren aufzuklären und an deren Eigenverantwortung zu appellieren. "Eine andere Möglichkeit sehe ich nicht."
Nach Ansicht von Heinrich Vogel schießt der Gesetzgeber über das Ziel hinaus. "Den möchte ich sehen, der mit einer Silvesterrakete einen Fachwerkbalken in Brand setzt", stutzt der Eppinger Heimatfreund und Fachwerkexperte. "Da waren Bürokraten am Werk."
Bild: Berlin gibt dem Brandschutz Vorrang und untersagt auch in der Neujahrsnacht Böller vor Fachwerk wie hier in Eppingen. (Foto: dpa/Bearbeitung: Thomas Betzler)