Bei seinen ersten Aussagen vor den Richtern kam er noch kurz ins Stocken. Dann sprudelte es aus dem Angeklagten leise heraus. Ein 21-jähriger Feuerwehrmann aus Bad Friedrichshall hat heute vor dem Heilbronner Landgericht zugegeben, in seinem Wohnort in Untergriesheim zwischen Dezember 2009 und Mai 2010 fünf Brände gelegt zu haben.
Im Anbau eines Kindergartens, im Materiallager einer Firma, gleich zwei Mal in einer Scheune und an einem Stapel mit rund 40 Strohballen hat der junge Mann immer nachts leicht entflammbare Dinge wie eine Couch, Altpapier oder Scheunenstroh mit einem Feuerzeug angesteckt. Dann lief er jeweils nach Hause, wartete auf den Alarm seines Feuerwehr-Warnmelders und war immer bei den Löscheinsätzen in erster Reihe dabei. Der angerichtete Sachschaden: rund 200.000 Euro.
Das Kuriose an seinen Taten: In dem Kindergarten war er früher selbst, den Besitzer der Scheune kannte er gut, die Strohballen gehörten dem stellvertretenden Kommandanten in seiner Feuerwehr. Mehr oder weniger aus Zufall will der 21-Jährige die Dinge angesteckt haben, weil er eben auf dem Nachhauseweg nachts daran vorbeikam. Er habe nie an den Ärger für die Besitzer und die Schadenssummen gedacht, sagte Marcel H. vor Gericht. Und er habe gehofft, dass das Feuer von anderen früh entdeckt werde.
Versagensängste Nach seinen Angaben waren es Reaktionen auf ein vielfaches Versagen in Prüfungen. Sechs Mal war er allein durch die theoretische Führerscheinprüfung gefallen, seine Gesellenprüfung als Anlagenmechaniker bestand er weder in Theorie noch in Praxis. Die Feuerwehr war sein Ein und Alles.
Die Triebfeder für die Brandstiftungen? „Ich habe gedacht, dass ich mich bei der Feuerwehr beweisen kann, damit nicht alle denken, dass ich ein Versager bin“, stellte der 21-Jährige fest. Beim ersten großen Löscheinsatz nach dem Brand im Kindergartenanbau hatte er zwar ein schlechtes Gewissen. Das Lob von Kollegen, „das hast du gut gemacht“, blieb bei ihm positiv haften.
Angeklagter äußerst beliebt Dass diese Taten gar nicht zu seiner sonstigen Persönlichkeit passen, merkte Hannes Breucker an, der Vorsitzende Richter. Im Ort war der 21-Jährige äußerst beliebt. Sport-, Musikverein und katholische Gemeinde attestierten ihm Zuverlässigkeit, Freundlichkeit und ein besonderes Engagement. Sogar sein bisheriger Arbeitgeber machte ihm in einem Schreiben das Angebot, ihn nach der Haft weiter zu beschäftigen. Von massiven Prüfungsängsten, wie Marcel H. sie jetzt beschrieb, wussten seine Eltern nichts. Er habe immer alles „in mich hineingefressen“, teilte er mit. Für den psychiatrischen Sachverständigen ist der Angeklagte kein krankhafter Brandstifter. Am Erleben des Feuers habe er kein starkes Interesse gehabt. Er habe eine gewisse Selbstunsicherheit und unter fehlendem Erfolg gelitten. Seine Taten seien Folgen einer Lebenskrise, „aus der er offensichtlich nicht herausgefunden hat“. Die Intelligenz des 21-Jährigen siedelte der Gutachter im „unteren Normbereich“ an. Für einen Feuerwehrmann war es nach Einschätzung aller Beobachter schon äußerst naiv, zu glauben, dass ein Feuer nicht auf weitere Gegenstände und Hausteile übergreift. In der Scheue wurde unter anderem ein Auto zerstört. „Ich stand ja auf der anderen Seite und wollte nicht, dass das Ganze brennt“, entschuldigte sich der Angeklagte lapidar. Warum er in derselben Scheune gleich zwei Mal zündelte? Seine Antwort: „Ich habe gedacht, vorne ist eh schon alles kaputt.“
Opfertyp Seit fünf Monaten ist Marcel H. in U-Haft. Auf seinen Antrag zuletzt in einer Einzelzelle. Der Gutachter stufte ihn als haftempfindlich ein. Ein „klassischer Opfertyp“, lautete auch das Fazit des Jugendgerichtshelfers. Er unterstrich, dass in der Familie „zu wenig über belastende Momente gesprochen wurde“. Bei drei der Taten war der Angeklagte 20 Jahre alt, bei zwei Taten bereits 21. Das Gericht muss sich zwischen Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht entscheiden. Am Freitag soll bereits das Urteil fallen.