Am Morgen nach der kältesten Nacht des Jahres proben sie den Ernstfall. Im Springerbecken des Freibads Neckarhalde geht die Heilbronner Feuerwehr aufs und unters Eis. Um Eingebrochene zu retten. Mit Motorsäge, Rettungsboard und Mini-Eispickeln.
Wie schnell kann ein Mensch, der auf einem See einbricht, gerettet werden? Die Tauchergruppe der Heilbronner Berufsfeuerwehr gab gestern eine klare Antwort. Im Neoprenanzug gleitet Frank Zimmermann in das Eisloch, das die Feuerwehr am Morgen im Freibadbecken geschlagen hat. Er ist das Opfer, er soll gerettet werden, wenn Kollege Timo Fritsche gleich mit dem Rettungsboard anrückt.
Flach auf dem Bauch liegt Fritsche auf dem Spezialschlitten, stößt sich mit Mini-Eispickeln in den Händen auf dem Eis 25 Meter nach vorne. Am Loch angekommen, hievt er den Verunglückten auf den Schlitten, Kollegen ziehen Schlitten samt Menschen am Seil in Windeseile ans Ufer. Keine zwei Minuten hat die Rettung gedauert. Feuerwehrhauptmann Günter Baumann ist zufrieden. „So war das geplant.“
Augenzeugen frieren allein schon vom Zuschauen. Minus acht Grad ist die Luft kalt, drei bis vier Grad plus hat das Wasser im Becken, als Robert Schieker in voller Tauchermontur in ein freigesägtes Einstiegsloch steigt. Er soll einen Verunglückten unter dem Eis bergen, eine am Morgen irgendwo im Becken versteckte Puppe. In Halbkreisen, erklärt Feuerwehr-Tauchlehrer Rainer Steinnagel, arbeite sich ein Taucher bei schlechter Sicht vor. Geführt am Seil von Kollegen, die durch kurze Signale die Richtung vorgeben. Zwei Mal ziehen heißt links, drei mal rechts…
Luftblasen steigen am Einstiegsloch auf, dann drückt Schieker den Körper der 50 Kilo schweren Puppe den Kollegen entgegen. Sein Fazit, als er wieder am Ufer steht, mit triefend nassen Haaren: „Frisch war es, vor allem an Händen und Füßen, aber sonst geht's.“
Normalerweise haben Menschen unter Wasser drei bis fünf Minuten eine Chance, am Leben zu bleiben. Im kalten Wasser unter Eis aber, wenn eine Ohnmacht Körperfunktionen und Sauerstoffzufuhr reduziert, kann sich die Chance erhöhen. „In ganz seltenen Fällen“, berichtet Steinnagel, hätten Kinder bis zu 30 Minuten unter Eis überlebt.
In diesem Winter ist die Heilbronner Wehr bisher zu keinem Hilfseinsatz aufs Eis ausgerückt. Dass der noch kommt, davon geht Rainer Steinnagel aus. „Die kritischste Zeit ist, wenn das Eis wieder taut. Dann denken Einige, es reicht noch.“ Ein Gedanke, der tödlich sein kann.
Info: In Heilbronn ist keiner der zugefrorenen Seen freigegeben. Die Eisdicke liegt bei drei bis vier Zentimetern. Zwölf müssten es sein.
Bilder: Feuerwehr HN