Kreisfeuerwehrverband Heilbronn

Suchergebnis löschen

Feuerwehr probt Einsatz bei Ammoniak-Unfall im Kohlekraftwerk

Heilbronnvon Carsten Friese, HSt

Ihre Mission ist ernst, und in ihren grünen Chemikalien-Schutzanzügen sehen sie ein bisschen aus wie Astronauten. Auf dem Gelände des Heilbronner EnBW-Kohlekraftwerks bahnen sich die zwei Feuerwehrmänner mit einer Werkzeugkiste in der Hand langsam ihren Weg zu einem Waggon, an dem Ammoniak austritt.

\"Gasalarm\", warnt eine Frauenstimme per Lautsprecher: Mit 25 Wagen ist die Feuerwehr am Dienstagabend auf der Kraftwerksfläche nahe des Ammoniak-Lagers, wo eine weiße Wolke langsam über das Gelände zieht. Auf dem grünen Duo in den undurchlässigen Schutzanzügen ruht die Hoffnung, das Leck am Waggon abzudichten, ehe sich die Ammoniakwolke weiter ausbreitet.

Großübung

Es ist eine Großübung, die Feuerwehr und Kraftwerke AG im Schulterschluss bestreiten. Penibel überprüfen Beobachter mit grünen Helmen auf den Köpfen, ob die Details des Zusammenspiels funktionieren.

Heute muss kein Feuer gelöscht werden, der Einsatz gilt dem Stoff, den die EnBW zur Umwandlung der Stickoxide in den Rauchgasen einsetzt (siehe Hintergrund). Im Urzustand ist Ammoniak für den Menschen \"ein Atemgift\", erklärt Feuerwehrkommandant Eberhard Jochim. Bei der Übung wird jedoch ungefährliches Trockeneis eingesetzt.

Wasserwand

Schnell bringen die ersten Floriansjünger eine EnBW-Mitarbeiterin, die im Ammoniaknebel ohnmächtig wurde, mit einer Trage in Sicherheit. Nach wenigen Minuten ist das Fahrzeug mit einem umfunktionierten Großlüfter einsatzbereit, der ähnlich einer Schneekanone Wassernebel in Richtung des undichten Ammoniak-Waggons sprüht. Bis zu 150 Meter weit reicht die Fontäne, die den Ammoniak in der Luft binden soll. Weiter vorne am Unfallort bauen die Männer in den Schutzanzügen zudem einen überdimensionalen Wassersprenger auf, der im Halbkreis weitere Wasserfontänen senkrecht in die Luft befördert. Die Wasserwand gegen die Ammoniakwolke steht - und bietet im Scheinwerferlicht ein beeindruckendes Bild.

Im Bus der Einsatzleitung hängt ein großes Luftbild des Kraftwerkgeländes an einer Wand. Hier sprechen EnBW-Schichtleiter Gerhard Schiemer und Feuerwehr-Vizekommandant Achim Gruber die nächsten Schritte ab. 32 Minuten nach dem Alarm kommt der beruhigende Funkspruch in die mobile Einsatzzentrale: Das Leck ist abgedichtet und die verletzte Person gerettet.

Spezialdusche

Noch ist aber längst nicht Feierabend für die Einsatzkräfte. Die Leckstopfer müssen mitsamt ihren Schutzanzügen in ein spezielles Duschzelt steigen, wo sie von Kollegen abgebürstet werden. Der Ammoniak muss von der Ausrüstung entfernt und entsorgt werden. \"Es ist warm, feucht, man ist stark eingeengt bei der Bewegung und im Blickfeld\", sagt Brandmeister Ralf Ehrlich nach dem Einsatz in dem Spezialanzug. Länger als 25 Minuten darf niemand darin arbeiten. \"Sonst droht ein absoluter Wärmestau\", erklärt Eberhard Jochim.

\"Das war eine sehr engagierte Leistung der Feuerwehr\", zollt EnBW-Kraftwerksleiter Jürgen Wiegelt den Einsatzkräften ein dickes Lob. Sie hätten sogar einen Mitarbeiter entdeckt, der im Schaltraum des nahen Ammoniak-Lagers auf seine Rettung gewartet habe. \"Diese Nuance\", so Weigelt, \"hatten wir vorher nicht mitgeteilt.\"

Hintergrund: Ammoniak

Die Verbindung von Stickstoff und Wasserstoff (NH3) ist ein stark stechend riechendes, wasserlösliches und giftiges Gas, das zu Tränen reizt und erstickend wirkt. Die EnBW setzt Ammoniak im Kohlekraftwerk zur Reinigung der Rauchgase ein. Klimaschädliche Stickoxide wandeln sich mit seiner Hilfe in unbedenklichen Stickstoff und Wasser um. Auf dem Gelände gibt es ein unterirdisches Ammoniak-Lager. Pro Arbeitstag werden fünf bis zehn Tonnen Ammoniak benötigt.