Peter Christ steht am Montagabend kurz vor 18 Uhr ganz ruhig hinter der Heilbronner Hauptpost neben seinem Bagger. Das ehemalige Regional-Bus-Gelände (RBS) ist in gleißendes Scheinwerferlicht getaucht. Gerade befestigt ein Feuerwerker des Kampfmittelbeseitigungsdienstes ein weiteres Sicherungsband an einem gewaltigen rostbraunen Zylinder.
Dreieinhalb Stunden hat die britische Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg am Montag für Aufregung rund um den Heilbronner Hauptbahnhof gesorgt. Polizei, Feuerwehr und Rettungskräfte aus dem ganzen Stadt- und Landkreis waren im Großeinsatz, über 1000 Menschen im Umkreis von 275 Metern mussten kurzfristig evakuiert werden. Jetzt ist die Bombe entschärft, liegt Sim Spezialfahrzeug.
Wichtiger Anruf
Ganz zufällig sei er auf den brisanten Fund gestoßen, sagt der 52-jährige Baggerfahrer aus Obersulm. „Das war gegen 14 Uhr.“ Natürlich wurden die Arbeiten sofort eingestellt, erzählt Peter Christ. „Ich habe gleich meine Frau angerufen - damit sie es nicht zuerst im Radio hört und sich sorgt.“
Vielleicht muss man mit diesen tödlichen Hinterlassenschaften des Krieges seine Erfahrungen gemacht haben, um so professionell zu reagieren. Peter Christ zuckt mit den Schultern. „Es ist ja nicht meine erste Bombe, die ich gefunden habe“, sagt er. Vor elf Jahren stieß er bei Bauarbeiten in der Hirschbergstraße in Weinsberg auf seine erste Fliegerbombe. Den Artikel aus der Heilbronner Stimme hat er immer dabei. Bisher hat der ihm offenbar Glück gebracht. Die zweite Bombe, sagt Christ, kam bei Arbeiten im Neckarsulmer Trendpark ans Tageslicht. Das ist jetzt seine dritte. „Bisher ist nichts passiert.“
Thomas Gierschke soll dafür sorgen, dass das auch in den nächsten Wochen so bleibt. Der 47-Jährige ist Sprengstoff-Spezialist. Er begleitet den Abtransport der Fliegerbombe mit fachkundigen Kommentaren. „Britischer NO-30-Zünder, mechanisch, Standardausstattung“, sagt er auf die Frage, ob die Entschärfung durch die Kollegen schwierig war. Soll heißen: Es war Routine, wenn auch eine gefährliche.
Gutes Gefühl
Gierschke kontrolliert schon die dritte Woche die Bauarbeiten auf dem alten RBS-Gelände, wo unter anderem ein Parkhaus entstehen soll, nach gefährlichen Weltkriegs-Resten. „Er hat die Bombe sofort gesehen“, sagt Peter Christ anerkennend. Auf sein Winken hin habe er seinen roten 35-Tonnen-Bagger sofort angehalten. „Es ist ein gutes Gefühl, dass dieser Mann hinter dem Baggerlöffel steht.“ Thomas Gierschke, der übrigens aus Neubrandenburg kommt, sieht das eher nüchtern. „Es ist hier eben Vorschrift.“ Sind noch weitere Funde zu erwarten? „Die Chancen stehen 50:50, dass wir hier noch weitere finden“, sagt Gierschke.
Gegen 19 Uhr sind auch die 30 Mitarbeiter und über 100 Gäste des nahe gelegenen Insel-Hotels wieder zurück. Sie hatten es für mehrere Stunden verlassen müssen. Gisela Mayer, Senior-Chefin, geht durchs Haus und schließt die Fenster wieder, die sie zuvor wegen der Gefahr einer Druckwelle öffnen musste. Ihr Fazit des aufregenden Nachmittags: „Es war aufwendig und stressig, aber eine gute Übung.“
Hintergrund: Weltkriegs-Bombe
Die auf dem alten Regional-Bus-Gelände gefundene britische Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg gehört mit ihren 230 Kilogramm zu den mittleren Kalibern, die über einen Aufschlagzünder verfügen. Sie enthält rund 100 Kilogramm TNT. Bei einer Explosion entsteht nach Auskunft des Bomben-Spezialisten Thomas Gierschke ein Krater von rund zehn Metern Durchmesser und drei Metern Tiefe. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst in Stuttgart hat zurzeit 34 Mitglieder. In den zurückliegenden 58 Jahren seit der Gründung wurden bei den oftmals lebensgefährlichen Arbeiten 13 Mitarbeiter tödlich verletzt.