Die Freiwillige Feuerwehr in Böckingen gibt es schon seit 160 Jahren. Doch so einen wie Muhammed Bingöl gab es noch nie in ihren Reihen. „Er ist der erste Migrant bei uns“, sagt Abteilungsleiter Alfred Rosenberger nicht ohne Stolz in der Stimme. Der 18-Jährige hat einen deutschen Pass und türkische Wurzeln, ist muslimischen Glaubens und verstärkt seit rund einem Jahr die Aktiven der Stadtteilwehr. Für den jungen Mann ist das alles kein großes Ding. „Ich fühle mich gleichberechtigt, integriert und echt willkommen unter den Kameraden. Da gibt es überhaupt gar keine Probleme.“
Es stellt sich dann allerdings eine Frage: Wenn es für den Fertigungsmechaniker-Azubi bei Audi so selbstverständlich ist, sich ehrenamtlich an seinem Wohnort in Böckingen zu integrieren, warum ist er nach so vielen Jahren der Erste? Schließlich hat der größte Heilbronner Stadtteil einen sehr hohen Ausländeranteil, lebt eigentlich schon immer von der Zuwanderung. Bingöls Antwort lautet: „Meine Kumpels interessiert die Feuerwehr nicht, die gehen lieber in den Fußballverein.“ Und Abteilungsleiter Alfred Rosenberger ergänzt: „Es ist schon wichtig bei uns, dass man gut Deutsch versteht und spricht.“ Gleichwohl hat auch er keine richtige Erklärung, warum es so lange gedauert hat, bis einer wie Bingöl kam. „Schließlich ist unser Ziel schon, einen bunten Mix wie im Ort bei den Feuerwehrleuten zu haben.“
Dennoch fühlt sich der junge Mann alles andere als Exot oder Pionier. Für ihn ist die Freiwillige Feuerwehr eine logische Konsequenz: „Mein Vater hat schon immer für die Feuerwehr geschwärmt, da tauchte eben die Frage auf, ob mich das auch interessiert.“ Und das tat es. Mit zwölf Jahren tritt Muhammed Bingöl der Jugendfeuerwehr bei, wagt vor einem Jahr den Sprung zu den Aktiven. Für Nachschub ist gesorgt. Bingöls jüngerer Bruder ist jetzt in der Jugendfeuerwehr. Der Vater ist mächtig stolz auf beide. „Er sagt: Wer ein Ehrenamt hat, kommt nicht auf dumme Gedanken. Und so ist es ja auch.“
Dass es ein guter Gedanke war, sich der fast ausschließlich „deutschen“ Wehr anzuschließen, daran hat der junge Mann nie gezweifelt. „Klar, am Anfang gab es schon Sprüche, der Türke und so. Aber ich habe das mit Humor genommen, meine eigenen Witzle gemacht.“ Eher schwierig war es anfangs wegen des Altersunterschieds. „In der Abteilung sind viele älter als mein Vater, der ist 38.“ Als junger Mensch spricht man eben auch anders als ältere Semester. „Doch ziemlich erleichtert hat mir die Integration ein Ausflug der Feuerwehr nach Düsseldorf.“ Jetzt fühlt sich Muhammed Bingöl „heimisch“ in der Wehr. Ohne dass er was sagen musste, wird bei Festivitäten auch ein Gericht ohne Schweinefleisch gekocht, da er als Muslim kein Schwein isst.
Seinen skeptischen Kumpels macht er mittlerweile das Steckenpferd schmackhaft. „Ich sage denen, was für ein gutes Hobby das ist.“ Wenn Muhammed Bingöl Nachrichten hört, etwa über den islamischen Staat im Irak, dann kann er nur den Kopf schütteln: „Wir hier in Heilbronn haben eine gute Integration. Meine ganze Familie fühlt sich hier wohl.“
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