Wenn Günter Baumann in seinem Büro an einem fremden Schreibtisch vorbeikommt und ein Blatt Papier schief daliegen sieht, rückt er es gerade einfach so en passant, ohne viel Aufhebens darum zu machen oder die Unordentlichkeit der Kollegen zu kritisieren. So ist der dienstälteste Feuerwehrmann der Heilbronner Berufswehr: korrekt, pflichtbewusst und ein feiner Mensch. Ein Retter vom alten Schlag. Und das mit dem Blatt Papier, das macht er sogar noch an seinem letzten Arbeitstag. Er kann nicht anders. Morgen fängt der Ruhestand des 60-Jährigen an.
Bescheiden
Baumann konnte fast nichts anderes als Feuerwehrmann werden. Sein Vater war der erste hauptamtliche Feuerwehrmann in Heilbronn. Der Sohn wurde sogar im Feuerwehrhaus geboren, in der Südstraße 61. Auch wenn heute die beiden erwachsenen Kinder des Mannes, der nur sieben Minuten Fußweg von der Wache entfernt wohnt, auch (freiwillige) Feuerwehrleute sind, sagt er im Rückblick: \"Ich wollte etwas anderes werden.\" Doch in seinem gelernten Beruf als Reprofotograf waren die Verdienstmöglichkeiten einfach zu bescheiden. Also wechselte der junge Baumann ins Fach des Vaters.
Eine weise Entscheidung, von der die gesamte Heilbronner Feuerwehr wohl bis heute profitiert. Denn es gibt kaum eine andere Wehr im Land, die eine bessere Fotoauswahl der Einsätze auf ihrer Internetseite zur Verfügung stellt.
Überhaupt hat der Retter in seinen fast 40 Berufsjahren maßgeblich zum guten Bild der Wehr in der Öffentlichkeit beigetragen. Günter Baumann war zwar der dritte Mann in der Hierarchie der Berufswehr und Chef der Leitstelle. Vielen ist er aber noch viel mehr durch seine Aufgabe als Pressesprecher der Feuerwehr bekannt geworden.
Was bleibt nach so einem Berufsleben voller Retten, Bergen, Schützen und Löschen im Gedächtnis haften? \"Es gibt schon ein paar Einsätze, die werde ich nie vergessen\", sagt er. Zum Beispiel an Weihnachten vor 25 Jahren, als ein Mann auf den Kranausleger an der Käthchenhofbaustelle kletterte, um sich durch einen Sprung das Leben zu nehmen. Baumann ist ihm ohne Sicherung nachgestiegen, hat sein eigenes Leben gefährdet und das dieses Mannes gerettet. Oder der Feuerwehrkollege, der während eines Einsatzes bei einem Verkehrsunfall auf der Autobahn plötzlich \"lichterloh in Flammen stand\". Baumann stand zufällig neben ihm und nebelte ihn mit dem Pulver aus dem Feuerlöscher ein. Schwer verletzt überlebte der Feuerwehrmann. Baumann: \"Dieser Einsatz ging mir noch jahrelang nach.\"
Treu
Klar ist, dass einer wie er nicht einfach ganz von der Bildfläche seiner Kameraden verschwindet, auch wenn er in Pension geht. Baumann wird der Wehr in der Altersabteilung die Treue halten. Er stehe auch als Rentner zur Verfügung, wenn es Fragen gebe, lautet sein Versprechen. Außerdem wird er den Kollegen, die an Heiligabend arbeiten, wie schon seit fast 40 Jahren weiterhin eine selbst gebackene Schwarzwälderkirschtorte vorbeibringen. Um ihnen den Dienst ein bisschen zu versüßen und den Trennungsschmerz ein wenig zu lindern.
Bild: Retter mit Leib und Seele auch im Ruhestand: Günter Baumann. (Foto: Mugler)