Mit gemischten Gefühlen verfolgt auch Heilbronns Feuerwehrkommandant Eberhard Jochim die Atomkatastrophe in Japan angesichts der bedrohlichen Lage im fernen Asien. Doch wenn er hört, dass in Deutschland Menschen scharenweise Jodtabletten und Geigerzähler kaufen, gerät bei ihm das Blut in Wallung.
Schund
Sogar im Internet gibt es inzwischen Geigerzähler für 200 bis 400 Euro. Jochim nennt das rausgeworfenes Geld. \"Das ist blinder Aktionismus und hilft niemandem\", betont der Kommandant. Er kennt sich aus. Weil die Heilbronner Feuerwehr mehr als 50 Strahlenmessgeräte unterschiedlicher Art hat, im Wert von mehreren 100.000 Euro. Da nutzten Verkäufer nun die Panik Einiger aus, um \"Schund loszuwerden\", sagt er. Und nur wenn man Daten über längere Zeit erfasse, könne man sie auch einschätzen. Weil, so Jochim, auch die natürliche Strahlenbelastung bereits schwanke.
Was viele nicht wissen: Seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl messen die Feuerwehren in Stadt- und Landkreis regelmäßig ein- bis zweimal im Jahr Radioaktivität an festgelegten Messpunkten. In Heilbronn an rund 30 Orten in allen Stadtteilen, an Straßenkreuzungen, Plätzen, im Wald, auf Wiesen. Alles wird dokumentiert. Jochim zieht einen Ordner hervor, in dem seit 1997 die Zerfallsraten pro Sekunde aufgelistet sind. Alle Werte liegen zwischen 18 und 23. \"Wir haben keine Ausschläge. Alles ist unter jedem Grenzwert\", sagt er ruhig.
Natürliche Strahlung
Seit der Japan-Katastrophe hat die Feuerwehr mehrmals Messungen vorgenommen. Am 12., am 15., am 16. März, und auch gestern, als die Stimme um eine Vorführung bittet. Im Messfahrzeug im Hof ist eine große, empfindliche Sonde fest installiert und an eine Computeranlage angeschlossen. Auf einer Anzeige erscheinen Strahlungswerte in Nanosievert pro Stunde, mal 29, mal 32, mal 31. \"Die ganz normale natürliche Strahlung\", sagt Jochim. Man habe keine erhöhten Werte, und aus Gründen der Physik könne derzeit auch bei der Entfernung zu Japan \"noch gar nichts da sein\". Wobei es für den Kommandanten fraglich ist, \"ob überhaupt etwas ankommt\".
Er nimmt ein gelbes Großflächenzählrohr und hält es über den Boden im Feuerwehrhof: Radioaktive Impulsraten zwischen 15 und 21 pro Sekunde zeigt die Digitalanzeige an. Laut Jochim Werte, \"die wir hier seit Jahren messen\". Auch Michael Krebs, der Feuerwehrverantwortliche für Strahlenschutz, sagt, die derzeit gemessenen Werte seien \"absolut normal\". Mit Blick auf einen Schwellenwert von 0,125 Mikrosievert (125 Nanosievert), ab dem eine erste Warnstufe ausgelöst wird, liege man deutlich darunter.
Jodlager
Dass Menschen auch in der Region sogar Jodtabletten horten, ist für den Feuerwehrchef ein Fall von \"unbegründeter Angst\". Die Einnahme sei derzeit in Deutschland gesundheitsgefährdend. Die Stadt habe einen großen Vorrat Jodtabletten gelagert, die in einem Notfall ausgegeben würden. \"Das reicht für alle Stadtbewohner mehrfach.\"
Auch Langzeitmessungen des Bundesamts für Strahlenschutz zeigen für Heilbronn und andere Orte in der Region von Dezember bis gestern stabile Werte. Sie liegen unter dem ortsspezifischen Schwellenwert, der die untere erste Warnstufe bildet.
Messwerte sind öffentlich
Das Bundesamt für Strahlenschutz misst an 1800 Messstellen in Deutschland rund um die Uhr Radioaktivität (Gamma-Ortsdosisleistung in Mikrosievert). In der Region gibt es Stationen in Eppingen, Gemmingen, Bad Rappenau, Heilbronn, Bönnigheim, Ilsfeld, Löwenstein, Öhringen, Niedernhall oder Künzelsau.
Die Daten sind im Internet unter http://odlinfo.bfs.de abrufbar. Wichtige Grenzwerte: Bei 250 Millisievert (Faktor 1000 zu Mikrosievert) liegt der Grenzwert für eine maximal zulässige Dosis für eine Person bei lebensrettenden Einsätzen, ab 1000 Millisievert treten in der Bevölkerung etwa zehn Prozent zusätzliche Krebs- und Leukämiefälle auf, ab 8000 Millisievert sicherer Tod.