Wenn die Polizei bei tragischen Unglücken die Todesnachricht überbringen muss, sind sie oft mit dabei: die Notfallseelsorger im Stadt- und Landkreis Heilbronn. Bei ihrer „ersten Hilfe für die Seele“ von Angehörigen ist Feingefühl gefragt. In den vergangenen Wochen hatten sie äußerst viel zu tun im Unterland.
Zwei tote 16-jährige Motorradfahrer in Offenau, ein toter Autofahrer bei Bad Wimpfen, eine Neckarleiche in Heilbronn, ein Getöteter nach einem Überfall auf Disco-Türsteher, Unterländer, die in der Flutregion Asiens vermisst werden: „Es gibt so seltsame Zeiten, in denen es sich verdichtet“, sagt Michael Kazmaier. Fünf Mal war der evangelische Seelsorger in den ersten Januartagen im Notfalleinsatz, um Menschen, die in eine Extremsituation katapultiert wurden, beizustehen.
Wenn Polizeibeamte mit mulmigem Gefühl im Magen nach einem Unglück an der Tür der Angehörigen klingeln, sind die Notfallseelsorger oft mit dabei und bieten ihre Hilfe an. Eine plötzliche Todesnachricht kann Menschen den Boden unter den Füßen wegreißen. Eine einfühlende Betreuung in den ersten Momenten, da ist Kazmaier überzeugt, „ist entscheidend für den ganzen Trauerfall“.
Den Angehörigen das Leid und die Trauer abnehmen können die Notfallseelsorger nicht. Aber: Perspektiven eröffnen, wie es zu Hause oder im Geschäft weitergeht, Haltpunkte suchen, klären, wer sich jetzt um sie kümmern kann, das ge- hört zu ihren Kernaufgaben. Seelsorger Jörg Spahmann berichtet, dass manche Menschen auch davon abgehalten werden müssen, sich im Schockzustand ins Auto zu setzen. Die Reaktionen sind so vielschichtig wie die Menschen selbst: vom Schreien über Sich-auf-den-Boden-Werfen bis zur völligen Apathie. Das Reden über den Verunglückten, das gemeinsame Betrachten eines Fotos hat Notfallseelsorger Torsten Rönisch als hilfreich für die Angehörigen erlebt. Es sind Gespräche, die Zeit brauchen. Rund drei Stunden waren es 2004 im Durchschnitt.
26 Mal war Rönisch im Vorjahr im Einsatz. In keinem der Fälle wurde er vor Ort aufgefordert, wieder zu gehen. Doch nicht immer wird die Hilfe gesucht. Angehörigen jener Unterländer, die in der Flutregion Asiens vermisst werden, boten die Notfallseelsorger Beistand an. „Kein Bedarf“, erfuhren sie über die Polizei. Kazmaier weiß, dass die Ungewissheit bei Vermisstenfällen „ganz schwer auszuhalten“ ist. Falls eine Todesnachricht aus der Flutregion kommt, wollen die Notfallseelsorger ihr Hilfsangebot erneuern.
Auch Rettungskräfte brauchen manchmal Notfall-Hilfe. Als im Vorjahr im Breitenauer See ein siebenjähriges Mädchen ertrank, fuhr Rönisch zu einem Gesprächstermin mit den DLRG-Kräften. Die Gleichgültigkeit, mit der Badegäste ins Wasser wollten, obwohl Taucher dort gerade nach dem mutmaßlich toten Mädchen suchten, hatte die Gruppe extrem betroffen gemacht.
Und wer hilft bei all dem erlebten Leid den Notfallseelsorgern? Die psychische Belastung ist hoch. Gespräche, Einsatzbesprechungen finden im Nachhinein statt. Und wer eine Pause braucht, hört für ein halbes Jahr auf. Kazmaier: „Damit wir nicht selbst zu Opfern werden.“