Der kettenrauchende Kellner, der ab diesen Samstag in Lutz Hübners "Hotel Paraiso" über die Bühne des Heilbronner Theaters spaziert, hat Wasser im Aschenbecher. Das hat die Feuerwehr so bestimmt, und das kontrolliert sie vor jeder Vorstellung. Aus dem Verborgenen verfolgen Feuerwehrleute jede Aufführung mit. Aus Sicherheitsgründen.
Hundertmal im Jahr ist der Heilbronner Feuerwehrmann Wolfgang Schlipf (51) im Theater. Und immer beruflich bedingt. Zu jeder Generalprobe - vergangenes Jahr waren das 52 - bekommt der 51-jährige Hauptbrandmeister eine Einladung: Dann sieht er sich an, was gespielt wird, hat ein waches Auge auf alles, was in Feuer umschlagen könnte, und legt gemeinsam mit Schauspielern und Regisseur fest, wie damit umzugehen ist. Also dass beispielsweise im Aschenbecher des Paraiso-Kellners Wasser sein muss.
"Die Zigarette ist die häufigste Feuerquelle", sagt Klaus Herrmann, technischer Leiter des Heilbronner Theaters, "gefolgt von der Kerze." Weil Feuerquellen im Theater gefährlich sind, ist laut Paragraf 35 der baden-württembergischen Versammlungsstättenverordnung "auf Bühnen das Rauchen verboten". Aber nur eigentlich. Denn für Figuren wie den kettenrauchenden Keller macht selbst die Verordnung eine Ausnahme: "Das Rauchverbot gilt nicht für Darsteller während der Proben und Veranstaltungen, soweit das Rauchen in der Art der Veranstaltung begründet ist."
Damit trotzdem nichts passiert (und auch weil ein Scheinwerfer platzen oder durch technische Defekte irgendetwas Feuer fangen könnte), ordnet die Heilbronner Feuerwehr zu jeder Vorstellung im Großen Haus und Komödienhaus je zwei Mann als Brandsicherheitswache ab. In den kleineren Kammerspielen (150 Plätze) genügt einer.
Dass im Aschenbecher des Paraiso-Kellners Wasser sein muss, weiß das ständig wechselnde Feuerwächter-Duo aus dem Abnahmebericht, den Hauptbrandmeister Wolfgang Schlipf nach der Generalprobe gefertigt hat. Dort ist auch festgelegt, wohin sie sich stellen oder setzen sollen, um das Geschehen auf der Bühne zu verfolgen: unsichtbar für die Zuschauer, aber mit wachem freiem Blick auf die Szene.
Bevor sie jedoch ihre Posten beziehen, gehen sie in den labyrinthischen Gängen des Theaters auf Sicherheitsrundgang. Sie prüfen, ob die Wandhydranten in Ordnung sind und ob die Fluchtwegeschilder leuchten, vergewissern sich, dass in der Schneiderei alle Nähmaschinen ausgeschaltet sind, und sehen in Kulissenlager, Kostümfundus und Unterbühne nach dem Rechten.
"Während der Vorstellung war noch nie was", sagt Klaus Herrmann und klopft auf den hölzernen Bühnenboden. Bräche nämlich tatsächlich einmal ein Feuer aus, dann hätte der wachhabende Floriansjünger einen außerplanmäßigen Auftritt im Stück, müsste dem Publikum verkünden, dass das Spiel unterbrochen wird. Und schlimmstenfalls den eisernen Vorhang herunterlassen, der Bühne und Zuschauerraum binnen 30 Sekunden feuerdicht voneinander trennt.
Seit Bestehen des Heilbronner Theaters 1982 ist das "noch nie vorgekommen", sagt Hauptbrandmeister Schlipf. Außer natürlich vor jeder Vorstellung, als Test.
In 19 von 20 Vorstellungen schieben übrigens Angehörige der Freiwilligen Feuerwehren Brandwache. Manche gern, manche weniger begeistert. Wolfgang Schlipf sieht als Wachhabender "früher oder später jedes Stück, das hier läuft", allein schon um es mit der Generalprobe zu vergleichen und auch wenn er "nicht müsste". Ganz nebenbei genießt er es, Stars wie Johannes Heesters und Grit Boettcher aus der Nähe zu sehen. Und aus seiner Feuerwehrnische heraus immer wieder erfreut festzustellen: "Die sagen freundlich Grüß Gott."
Bild: Ein "besonderer Platz für die Brandsicherheitswache": Mindestens ein Quadratmeter Standfläche und 2,20 Meter Höhe müssen Feuerwehrleuten wie Wolfgang Schlipf laut Gesetz am Bühnenrand zur Verfügung stehen. (Foto: Dirks)