Boykottvorwurf Der Streit um eine einheitliche Notrufnummer für Feuerwehr und Rettungsdienst verschärft sich. Nachdem das Sozialministerium den DRK-Kreisverband Heilbronn wie berichtet in aller Deutlichkeit angewiesen hat, bis 1. Juli von der 19222 auf die europaweite Notruf-Nummer 112 umzustellen, legt die Bürgerinitiative (BI) Rettungsdienst aus der Region Stuttgart jetzt nach.
Deren Chef Joachim Spohn (54), ein Musik-Pädagoge aus Leinfelden, fährt schweres Geschütz auf. Er prangert das Verhalten des DRK-Kreisverbands als „Boykott“ und Gesetzesverstoß an, da nur die 110 und die 112 gesetzlich zugelassene Notrufnummern seien. Wenn das DRK die Vorgabe des Sozialministeriums im Sommer nicht umsetze, droht Spohn mit einer Anzeige und rechtlichen Schritten. Seit 1976 kämpft die BI in Stuttgart für eine Verbesserung der Rettungsdienststruktur. Ein Notfall, in dem Retter 35 Minuten benötigten, war der Auslöser. Die 19222 ist für Spohn ein rotes Tuch. „Ein Notruf muss kostenlos und rückverfolgbar sein und auch bei Handys ohne Vorwahl funktionieren“, fordert er.
Lange Jahre war die 19222 akzeptiert. Seit die EU die europaweite Notruf-Nummer 112 beschlossen hat, kommt in deutschen Ministerien Hektik auf. Nachdem sich Feuerwehr und DRK in Heilbronn auf eine gemeinsame Leitstelle geeinigt hatten, die im Sommer 2011 bezogen werden soll, lautete die Marschroute: erst der Einzug unter ein Dach, dann das Umstellen auf 112.
Vor zwei Wochen hatten sowohl die Heilbronner Feuerwehr als auch DRK und ASB erklärt, dass der plötzlich geforderte „unverzügliche Umstieg“ auf die 112 technische Probleme bereiten werde. Weil zwischen Feuerwehr und Rettungsdienst nur eine Direktverbindung bestehe, würden eingehende Folgeanrufe erst einmal in der Warteschleife stecken. Nun vorübergehend Zusatzleitungen zu installieren, koste viel Geld, hieß es.
DRK-Kreisgeschäftsführer Ludwig Landzettel sieht die Klageandrohung der BI gelassen. „Wir boykottieren die 112 nicht. Es geht darum, was derzeit das Vernünftigste für die Menschen ist.“ Und da aus Sicht aller Beteiligter in der Region eine Übergangslösung bis zum Bezug der gemeinsamen Leitstelle das Beste sei, führe der Landesverband Gespräche. Landzettel hält nichts davon, den Umstieg auf die 112 „brachial durchzuziehen“. Wenn es aber Vorgabe aus Stuttgart bleibe, „werden wir es tun“. Für eine Qualitätsverschlechterung sei das Rote Kreuz dann nicht verantwortlich.
Das Sozialministerium sieht keinen Spielraum für eine Übergangslösung. Die einheitliche Notrufnummer sei als Bundesverordnung seit März gesetzlich festgelegt. „Und da gibt es keine Übergangsfristen“, sagt Sprecherin Susanne Keller in Stuttgart. Sie verweist darauf, dass das Landesgesetz seit 1998 den Aufbau integrierter Leitstellen als Regelfall vorschreibe. Im Sommer 2007 habe man zudem alle Rettungsverbände informiert, dass künftig auf die 112 umzustellen sei.
Nicht haltbar Konkrete Vorgaben fehlten jedoch. „Wenn das Ministerium früher schon Anweisungen mit klarer Frist gegeben hätte, wäre alles heute kein Thema“, sagt ein Insider in Heilbronn. Der aktuelle Termin, bis 1. Juli Vollzug zu melden, sei jedenfalls „nicht haltbar“.