Die Urgewalt eines Blitzeinschlags in ein Mehrfamilienhaus der Nordheimer Ortsdurchfahrt ist im Ort immer noch Gesprächsstoff. Als am Sonntag gegen 16.45 Uhr der Blitz in dem Haus in der Brackenheimer Straße einschlägt, ist Nachbar Asim Tatli (47) kurze Zeit wie gelähmt. Einen gleißend hellen Feuerball sieht er von seinem Wohnzimmerfenster ins Dach gegenüber einschlagen, mit Feuerwirbeln hintendran, wie er sagt. Nach einem Riesen-Knall wie eine Bombe habe auch sein Haus so gewackelt, dass er dachte, dass es die Scheiben zerschlägt. Kinder im Haus haben geweint, berichtet er.
Was war das? Ein Satz fällt in Nordheim immer wieder. So etwas hat hier noch keiner erlebt. Im Obergeschoss des betroffenen Hauses sieht es am Tag danach tatsächlich aus wie nach einer kleinen Explosion. Zwei Löcher klaffen in der Decke; große Mengen Putzschutt, heruntergefallene Holzteile bedecken den Flur. Das Bad ist, offenbar durch die Druckwelle, mit Schutt und Spiegelscherben verwüstet. Angeschmorte Glaswolle hängt aus der Wand, das Fenster wurde durch die Wucht aus der Verankerung gerissen. Überall im Haus: herausgeschleuderte Strom- und Lichtschalter sowie Kabel, die durch den Putz gedrückt wurden.
Naturgewalt
Machtlos fühlt sich Vermieterin Tatjana Willy angesichts der Naturgewalt, als sie die Schäden inspiziert. Einen Blitzableiter gibt es an dem alten Haus nicht. Weniger als zehn Prozent der Wohngebäude hätte einen, sagt Elektriker Peter Haug. Selbst er ist nach dem Rundgang sprachlos, hat derartige Schäden durch Blitz noch nie erlebt. Von Blitzableitern in Privatgebäuden hat er bisher eher abgeraten wegen der geringen Wahrscheinlichkeit, getroffen zu werden. Doch wenn man diese Zerstörung sehe, sollte man umdenken, sagt Haug.
Die 27-jährige Mieterin, die nach dem Blitzeinschlag ärztlich betreut werden musste, wohnt derzeit bei ihren Eltern. Sie saß offenbar am Computer, als es plötzlich wenige Meter weiter im Dach einschlug.
100.000 Euro Schaden
Strom gibt es derzeit keinen in dem Haus, in dem auch alle elektrischen Geräte kaputt sind. Auf mindestens 100.000 Euro schätzte die Polizei den Schaden. Rund eine Woche wird die Reparatur der leichteren Schäden in den wenig betroffenen Wohnungen benötigen. Bleiben will Uwe Sann (48) mit seiner Familie dennoch. Seine Tochter hat am Wochenende Konfirmation. Ein Verlängerungskabel von Nachbarn ermöglicht wenigstens das Erhitzen von Wasser. Wir haben ein Dach über dem Kopf, es ist niemand verletzt. Wir haben noch mal Glück gehabt, sagt er.
Kugelblitz
Auch im vier Kilometer entfernten Leingarten und sogar in Frankenbach berichten Bürger, dass zu dieser Zeit Gebäude vibriert haben. Eine Folge des Nordheimer Blitzschlags? Es ist denkbar, sagt Meteorologe Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst in Offenbach. Es gebe das seltene Phänomen eines Kugelblitzes, der durch extreme Spannungsunterschiede in bodennahen Luftschichten ausgelöst werde. Ein Feuerball, wie vom Nachbarn berichtet, sei da durchaus plausibel. Bei der Explosion eines Kugelblitzes könnten sehr intensiver Donner und extreme Schall- und Druckwellen entstehen. Auf mehrere 100.000 Grad werde die Luft schlagartig erhitzt. Es sei möglich, dass als Folge in einigen Kilometern Entfernung noch Häuser vibrieren.