"Es hat schon Leute gegeben, die haben sich nicht getraut zu klingeln",sagt Hermann Jochim. Dabei soll die rote Türklingel nur deutlich machen: Hier wohnt keine ganz normale Familie, hier wohnen Feuerwehrleute. Und auch wenn der langjährige Neckarsulmer Kommandant Hermann Jochim zum 1. Juli in den Ruhestand gewechselt ist − Freistellungsphase der Altersteilzeit nennt es sich offiziell − dann bleibt es doch dabei: Der 60-Jährige will bis 65 weiter ehrenamtlich seinen Dienst tun. Sohn Tobias (20), der ebenfalls im Haus wohnt, hat seine Laufbahn ohnehin noch vor sich. Die Jochims leben mit dem Notruf. Das ist so, seitdem Großvater August in Degmarn als Hornist zum Alarm geblasen hat.
Warnung
Carola Jochim war schon vor ihrer Hochzeit gewarnt worden. "Meine Mutter hat damals zu ihr gesagt: ,Überleg's dir gut, du heiersch 'n Feuerwehrmann'",erinnert sich Hermann Jochim. Sie heirateten trotzdem, schließlich kannten sie sich schon mehrere Jahre. Doch Carola Jochim gibt zu: "Was sie gemeint hat, habe ich erst später verstanden."
Der Alarm nimmt keine Rücksicht auf das Familienleben eines Feuerwehrmannes. Mit ein bisschen Wehmut denkt Hermann Jochim deshalb auch an die eine oder andere Begebenheit zurück, als seine Berufung ihm einen Strich durch die Pläne gemacht hat. Etwa beim ersten Geburtstag seiner Tochter Verena vor 23 Jahren, als Jochim das Fest verlassen musste, bevor es richtig begonnen hatte. So sei das eben als Feuerwehrmann.
Erinnerungen
Besonders im Gedächtnis geblieben sind ihm nur wenige Einsätze. Schließlich war er − grob überschlagen − rund 6000 Mal ausgerückt in den 43 Jahren seines aktiven Feuerwehrdienstes. Zu den eindrücklichen Bildern gehören natürlich die besonders schrecklichen − etwa das einer Frau, die in ihrem Wagen von einem Brückengeländer aufgespießt worden war. "Ich habe zuerst nur einen jungen Kollegen gesehen, wie er die Tür aufgespreizt hat und nach dem ersten Anblick rückwärts gewankt ist", erinnert sich Jochim.
Es gehören aber auch die erfreulichen Erlebnisse dazu. Etwa als ein Anderthalbjähriger seine Hand in eine Pizzamaschine gebracht hatte, plattgewalzt, vermeintlich verstümmelt. Und als sie wieder draußen war, wurde alles wieder gut, erzählt Jochim.
Wichtig war auch die Gemeinschaft. Besonders intensiv habe er die 1975 in Niedersachsen erlebt. Mit mehr als 1000 anderen Feuerwehrleuten hatte Jochim damals eine Woche lang Waldbrände bekämpft. Rund um die Uhr war er mit den Kameraden aus Baden-Württemberg zusammen, untergebracht in einem Klassenzimmer. Mitten in der Nacht hieß es ausrücken. Löschflugzeuge, Bergepanzer der Bundeswehr waren mit im Einsatz. "Das war schon beeindruckend."
Elan der Jugend
Mit zwölf Jahren hat Jochim bei der Jugendfeuerwehr begonnen. Mit dem Elan, den er jetzt wieder bei seinem Sohn Tobias erkenne. Ihm selbst, dem ergrauten Brandbekämpfer, falle es inzwischen deutlich schwerer als früher, "nachts aus dem Bett zu springen", gibt er zu. Hätte er noch einmal die Wahl, er würde trotzdem nichts anders machen, sagt Jochim nachdenklich. Schon der Alt-Kommandant der Neckarsulmer Wehr, Anton Pecoroni, habe ihm vor vielen Jahren erklärt, dass das Leben für die Feuerwehr auch den Familien viel abverlangt. Hermann Jochim ging dennoch weiter auf diesem Weg. Der Vater hatte es vorgelebt.
Nun muss er neue Wege gehen. Pläne für den Ruhestand habe er keine. "Das lasse ich auf mich zukommen." Ein paar Ehrenämter gibt es noch, etwa als stellvertretender Kreisbrandmeister oder im Arbeitskreis für Technik und Ausrüstung des Landes. Viel wichtiger ist Jochim, dass er seinem Nachfolger Wolfgang Rauh eine gut ausgestattete und moderne Wehr übergeben konnte. Und dann sei jetzt endlich genügend Zeit, sich um Freunde und Familie zu kümmern.
Bild 1: Zeit für die Familie und für Ehefrau Carola: 36 Jahre war der langjährige Kommandant Hermann Jochim hauptamtlich bei der Freiwilligen Feuerwehr Neckarsulm − und damit jederzeit abrufbar. Nun hat der Ruhestand begonnen. (Foto: Christian Gleichauf)Bild 2: Stabwechsel: Vor 23 Jahren übernahm Hermann Jochim das Kommandantenamt von Vater Willy. (Foto: privat)