Der Polizist rettet sich mit einem Sprung vor dem vorbeirasenden Pkw. Der Streifenwagen wird vor einem anbrausenden Lastwagen in Sicherheit gebracht. Ein Kleinbus donnert ungebremst in den Vorwarnhänger mit dem großen gelben Blinkpfeil der Autobahnmeisterei Neuenstadt. Keine Filmsequenzen, sondern Alltag für Rettungskräfte und Arbeiter auf den Autobahnen in der Region. „Lebensgefährlich“ - kurz und prägnant charakterisiert Jens Brockstedt diesen Arbeitsplatz.
„Das hängt mit dem Verhalten der Verkehrsteilnehmer zusammen, die auf Blaulicht und Warnblinkanlagen kaum mehr reagieren“, erklärt der Leiter des Weinsberger Autobahnpolizeireviers. Warum mit Warnleuchten, -baken, -kegeln und Faltwarnschildern abgesicherte Unfallstellen keinen Einfluss auf den Gasfuß der Fahrer haben, das kann sich Brockstedt nicht erklären. „Die Rücksichtnahme nimmt tendenziell ab“, glaubt Reinald Gütter, stellvertretender Rettungsdienstleiter des DRK Heilbronn. Auch er vermisst den „Respekt vor dem Blaulicht“, beobachtet wie Brockstedt, dass Verkehrsteilnehmer an Unfallstellen „sogar noch auf die Tube drücken“. Und wenn die auf Gaffer treffen, die abrupt abbremsen, dann ist der Folgeunfall programmiert. Bei etwa jedem 20. Unfall, so schätzt Brockstedt, kommt es aufgrund zu später Reaktionen dazu. Und dann sind die Helfer vor Ort - Polizisten, Rettungsassistenten und Feuerwehrleute - selbst in Gefahr.
Situationen, die Andreas Kelber zur Genüge kennt. „Alles mögliche“ hat der Autobahnpolizist bei Rettungseinsätzen schon erlebt: „Ich bin auch schon weggesprungen, sogar im abgesperrten Bereich einer Baustelle.“ Eigensicherung ist das oberste Gebot für die Rettungskräfte. Das heißt für Kelber: „Wir haben vier Augen - zwei vorne und zwei hinten.“ Den Verkehr im Rücken darf man nie aus dem Blick verlieren. Ein ungutes Gefühl bei jedem Einsatz? Kelbers junge Kollegin Jennifer Richter verneint. „Das ist unser Job“, meint auch Jürgen Sämann, Dienststellenleiter der Autobahnmeisterei Neuenstadt.
Standstreifen fehlt Weitere Faktoren erhöhen die Gefahren bei der Unfallrettung: das hohe Verkehrsaufkommen auf der A 81 und der A 6, der dichte Schwerlastverkehr und der fehlende Standstreifen auf der Ost-West-Achse oder die Dunkelheit bei nächtlichen Einsätzen. Auf der Autobahn lauern Gefahren, die für die Rettungskräfte sogar tödlich enden. Zwei Polizisten sind laut Innenministerium in den vergangenen sieben Jahren in Baden-Württemberg ums Leben gekommen: ein Kollege von der Autobahnpolizei Weinsberg, als er im August 2000 die Fahrbahn überquerte, um ein Schild aufzuklappen, und ein Beamter im Mai 2006, der auf der A 5 Karlsruhe - Frankfurt bei der Unfallaufnahme von einem Lkw überfahren wurde. Eine Statistik über Verletzte wird laut Alice Loyson-Siemering, Leiterin der Pressestelle im Innenministerium, nicht geführt.
Sind die Polizisten zu schlecht ausgerüstet? Brockstedt verneint, was das Material anbelangt. Die Autobahnpolizei habe besseres Absicherungsmaterial als die Kollegen in Stadt und Land. Die Feuerwehr allerdings könne personal- und materialintensiver anrücken. Bei der Ausstattung sieht Kreisbrandmeister Uwe Vogel jedoch auch noch Verbesserungsbedarf. Während Feuerwehrmänner, Rettungsassistenten und Mitarbeiter der Autobahnmeistereien eine großflächige reflektierende Schutzkleidung haben, bedeckt nur eine neongrün-gelbe, taillenlange Weste mit Polizei-Aufdrucken und Leuchtstreifen den Rumpf der Beamten. Diese Warnweste sei von der Sichtbarkeit nicht so sehr auf die Autobahn ausgerichtet. „Sie ist nur ein Hilfsmittel“, meint Brockstedt.
Bild 1: Andreas Kelber und seine Kollegin Jennifer Richter von der Autobahnpolizei Weinsberg zeigen, was sie alles an Warnschildern-, leuchten und -baken im Kofferraum haben, um eine Unfallstelle abzusichern. (Foto: Ralf Seidel)Bild 2: Wie gefährlich Einsätze auf der Autobahn sind, zeigt dieser Vorfall aus dem Jahr 2002, als ein Pkw in ein Fahrzeug der Feuerwehr Neckarsulm prallte. (Foto: Feuerwehr)